Mini-Baby-Boom - neue Debatte um Elterngeld

Wiesbaden (dpa) - Mehr Babys in Deutschland: Die Geburtenziffer ist 2010 auf den höchsten Wert seit 21 Jahren gestiegen. Die durchschnittliche Kinderzahl einer Frau lag bei 1,39 und war damit etwas höher als 2009 (1,36), teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mit.

Trotzdem schrumpft die Bevölkerung weiter. Mit ihren Geburtenzahlen ist die Bundesrepublik das Schlusslicht in Europa. In der Politik begann unterdessen eine neue Debatte über das Elterngeld: Unionsfraktionschef Kauder forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, das Elterngeld 2013 auf den Prüfstand zu stellen. Er habe immer darauf hingewiesen, dass man „mit Geld keinen Kindersegen erreichen wird“. Das Familienministerium sieht sich dagegen auf dem richtigen Weg. „Mit Kindergeld, Elterngeld und Kita-Ausbau haben wir die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen, damit sich Eltern ihre Kinderwünsche erfüllen können“, sagte Staatssekretär Josef Hecken (CDU) laut Mitteilung. Mit solchen Debatten wird nach Ansicht der Grünen-Expertin Katja Dörner ein wichtiges Instrument „kaputtgeredet“.

Mit dem Mini-Baby-Boom steigt die Geburtenziffer im vergangenen Jahr auf den höchsten Wert seit 1990, als Frauen im Mittel 1,45 Kinder bekamen. Dies liegt auch an den Müttern in Ostdeutschland. Nach dem drastischen Geburtenknick seit dem Fall der Mauer kommen in den neuen Bundesländern schon seit 2008 mehr Kinder pro Frau zur Welt als im Westen.

Die Geburtenziffer ist ein statistischer Rechenwert, der beschreibt, wie viele Kinder eine Frau im Laufe ihres Lebens im Durchschnitt bekommt. Das Schrumpfen der Bevölkerung in Deutschland werden aber auch die leicht gestiegenen Werte aus dem Jahr 2010 nicht aufhalten. Denn dazu müsste die Geburtenziffer 2,1 betragen.

Die Zahl der Neugeborenen in Deutschland stieg 2010 gegenüber dem Vorjahr um etwa 13 000 - auf nun 678 000. Dabei gab es rund 300 000 Frauen weniger im gebärfähigen Alter als früher. Heute sind rund 18,4 Millionen Frauen zwischen 15 und 49 Jahre alt.

Auffallend für die Statistiker: Mehr Frauen als früher bekamen ein zweites und drittes Kind. Das Plus bei den Geschwisterkindern fiel im Jahresvergleich fast doppelt so stark aus wie bei Erstgeborenen und Einzelkindern.

Zwischen West und Ost gibt es bei der Geburtenziffer deutliche Unterschiede. In den alten Bundesländern stieg die durchschnittliche Kinderzahl innerhalb eines Jahres von 1,35 auf 1,39. Im Osten legte sie etwas stärker zu - und auf höherem Niveau von 1,40 auf 1,46.

Bei der aktuellen Geburtenzahl bleibt Deutschland aber EU-Schlusslicht: Auf 1000 Einwohner kamen im vergangenen Jahr nur 8,3 Säuglinge. Für den meisten Nachwuchs sorgen die Iren (16,5 pro 1000 Einwohner), Großbritannien (13) und Frankreich (12,8). Europäische Vergleichszahlen für die Geburtenziffer liegen noch nicht vor.

Der Sozialverband pro familia sieht noch keinen Trend zu mehr Geburten in Deutschland. „Dafür muss man langfristiger schauen“, sagte Sprecherin Regine Wlassitschau. Bevölkerungswissenschaftler Prof. Ralf E. Ulrich meint: „Der Anstieg im Jahr 2010 sind die nachgeholten Geburten, die 2009 in der Wirtschafts- und Finanzkrise verschoben wurden.“ Das Elterngeld habe keine demografische Wirkung. Nach Ansicht des AWO-Bundesvorsitzenden Wolfgang Stadler reichen die bisherigen familienpolitischen Maßnahmen nicht aus. Um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, müsse etwa die Kinderbetreuung ausgebaut werden.

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