Serie Digitalisierung So kläglich ist die Halbzeitbilanz beim Handyfasten

Wie sehr hat die Digitalisierung unser Leben im Griff. Unser Autor macht den Selbsttest und versucht, in der Fastenzeit aufs Smartphone zu verzichten. Die Betonung liegt auf „versucht“...

Sieben Wochen auf das Mobilphone verzichten

Sieben Wochen auf das Mobilphone verzichten

Foto: Hauke-Christian Dittrich

Düsseldorf. Es ist der 14. Februar. Die Grünen haben zum politischen Aschermittwoch in die Kölner Südstadt eingeladen. Das ins Navi eingegebene Parkhaus ist voll, irgendwann lande ich stattdessen am Rheinufer. Die Zeit wird knapp, jetzt hilft nur noch Google Maps, um den kürzesten Weg zu finden. Mit leicht irrem Dauerblick aufs Smartphone eile ich im Laufschritt über den Bürgersteig. An einem Engpass kommt mir eine Gruppe entgegen, darunter ein Mann an Krücken. Aber fürs Platzmachen sind meine aufs Display fixierten Hirnsynapsen gerade nicht ausgelegt. „Idioten gibt es überall.“ Das galt mir. Fängt ja gut an, der erste Tag meines Handyfastens.

So bescheuert können Handybenutzer sein. Und ja, auch mir gehen die überall ins Bild drängenden Zwangswischer auf den Wecker. Meinen Sohn raunze ich regelmäßig ein, er solle das blöde Ding endlich mal aus der Hand legen. Aber die Wahrheit ist: Ich gehöre selbst dazu. Wäre ich Katholik und müsste meine Verstöße gegen das redaktionell verordnete Handyfasten beichten, der Priester könnte sich im Beichtstuhl häuslich niederlassen.

Am Anfang habe ich noch gedacht: Sieben Wochen ohne, das wird ja nicht so schlimm werden. Dann müssen die Mails halt am PC gelesen werden, fürs Telefonieren gibt es auch ein Festnetz. Und die Kollegen bei der Arbeit — die sollen mich irgendwie anders erreichen. Äh — aber wie? Und, noch besser, was mache ich denn, wenn ich von unterwegs die Redaktion erreichen will — Telefonzelle? Ach, Entschuldigung, ich soll ja möglichst keine Fremdwörter benutzen.

Wenn ich nicht gerade Männern an Krücken den Weg versperre, bilde ich mir eigentlich ein, zu den eher höflichen Menschen zu gehören. Und in diesem Jahr lag mein Geburtstag mal wieder in der Fastenzeit. Hätte ich etwa all die nett gemeinten SMS, Whatsapp-Nachrichten und Anrufe nicht beachten sollen? Und wo ich schon mal dabei war, musste auf die Schnelle doch wohl noch eine kleine Reaktion auf die Facebook-Glückwünsche möglich sein.

Es ist zum Verrücktwerden und so verführerisch praktisch, dieses Mistteil. Irgendwann habe ich versucht, für mein offenkundiges Versagen wenigstens einen festen Rahmen zu schaffen: einmal morgens und einmal abends draufgucken, damit man zumindest nichts Wichtiges verpasst. Aber ich müsste lügen, würde ich behaupten, es wäre dabei geblieben.

In Zeiten, in denen ich nicht so konsequentes Handyfasten betreibe wie gerade im Moment, ernte ich manchmal von meiner Frau einen ähnlich bösen Blick wie mein Sohn von mir. Ich rede mich dann immer damit raus, dass das nicht zu vergleichen sei: Ich sei schließlich Journalist und für diese Leute erfülle ein Smartphone quasi ähnliche Informationszwecke wie eine Zeitung. Zum Glück ist mein Sohn meist nicht dabei: Er würde sich kaputtlachen.

In dieser Woche habe ich noch Süßigkeiten- und Kuchenfasten nachgeschoben: Halbe Fastenzeit verspricht doppelte Erfolgsaussichten. Die Gewichtsverluste könnte ich eigentlich in einer Selfie-Serie dokumentieren. Okay, okay, war nur ein Versuch.

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