Karola Wille neue MDR-Intendantin

Leipzig (dpa) - Der MDR hat nach vielen Querelen eine neue Intendantin: Die stellvertretende Chefin und Justiziarin Karola Wille (52) führt vom 1. November an den fünftgrößten ARD-Sender. Der Rundfunkrat wählte sie am Sonntag im Thüringer Luftkurort Friedrichroda im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit.

Von den 39 anwesenden Mitgliedern stimmten 32 für Wille, sieben waren gegen sie. Erforderlich waren 26 Stimmen. Willes Amtszeit beträgt sechs Jahre. Sie ist nach Dagmar Reim (RBB) und Monika Piel (WDR) die dritte Chefin einer ARD-Anstalt. MDR-Gründungsintendant Udo Reiter (67) geht Ende Oktober in den Ruhestand. Vor vier Wochen war die Wahl des Chefredakteurs der „Leipziger Volkszeitung“, Bernd Hilder, zum Intendanten gescheitert, so dass der zweite Anlauf nötig war.

Die gebürtige Chemnitzerin hatte bei ihren Vorstellungsrunden angekündigt, sie wolle den MDR zukunftsfähig machen und die junge Generation stärker einbeziehen. Dabei setze sie auf Transparenz und Aufklärung der MDR-Affären. Sie wolle dazu eine neue Führungs- und Verantwortungskultur etablieren. Wille kann bei diesen Aufgaben auf ein neues Führungsteam um Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi und Chefredakteur Stefan Raue bauen.

Transparenz ist aber auch eine Forderung, die Opfer von kommunistischer Gewaltherrschaft an Wille selbst stellen. So gab es Kritik an ihrer juristischen Karriere in der DDR und den spärlichen Auskünften darüber. Wille studierte in den 80-er Jahren in Jena Rechtswissenschaften und promovierte dort. Nach der Wende absolvierte sie noch ein juristisches Fernstudium. Die Kritik spielte bei ihrer Wahl jedoch keine entscheidende Rolle. Im MDR wird darauf verwiesen, dass Wille die Chancen der Wiedervereinigung genutzt habe.

Wille ist seit 1991 bei der Drei-Länder-Anstalt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 1996 wurde sie juristische Direktorin, seit 2003 vertritt sie Intendant Reiter. Bei vielen der mehr als 2000 Mitarbeiter des MDR ist sie beliebt. Sie gilt schon länger als „Intendantin der Herzen“. Wille führt für die ARD die Verhandlungen mit den Fernsehproduzenten und ist Mitglied im Digital-Ausschuss von ARD und ZDF. Im MDR leitet sie die Arbeitsgruppe „Digitale Zukunft“.

Der MDR-Verwaltungsrat nominierte sie vor zwei Wochen einstimmig als Kandidatin, nachdem er zuvor auf Hilder gesetzt hatte. Als erste Aufgabe wartet auf Wille die Aufklärung der undurchsichtigen Finanztransaktionen um den entlassenen Unterhaltungschef Udo Foht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen sechs Beschuldigte wegen Betrugs, Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Zuvor war ein Millionenbetrug beim ARD/ZDF-Kinderkanal aufgedeckt worden, für den der MDR die Federführung hat. Kritiker hatten Wille wegen ihrer Stellung eine Mitverantwortung an den Affären gegeben. Unterstützer loben dagegen, dass sie tatkräftig aufgeklärt habe.

Auch der Auftritt von Tänzern des MDR-Fernsehballetts auf der Geburtstagsfeier des tschetschenischen Republikchefs Ramsan Kadyrow wird sicher noch einmal die Intendanz beschäftigen. Zwar ist der MDR nur indirekt über seine Tochter Drefa Media Holding zu 40 Prozent an der MDR Deutsches Fernsehballett GmbH (Berlin) beteiligt. Dennoch sieht der Sender einen großen Schaden wegen des Auftritts.

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