Aachen Karnevalsorden an Gregor Gysi - CSU-Mann Söder in der Klemme

Zum ersten Mal wird ein Linken-Politiker mit dem Orden wider den tierischen Ernst ausgezeichnet. Für Gregor Gysi ist es mehr als nur ein Karnevalsorden. Laudator Söder kann nicht kommen.

Der Prinz Karneval der Stadt Aachen, Thomas III (l) und der Vorsitzende der Europäischen Linken Gregor Gysi.

Der Prinz Karneval der Stadt Aachen, Thomas III (l) und der Vorsitzende der Europäischen Linken Gregor Gysi.

Foto: Henning Kaiser

Aachen. Wahrscheinlich wäre Markus Söder (CSU) wirklich gerne nach Aachen gekommen, schließlich ist die Auszeichnung beispiellos in der Geschichte des Aachener Karnevalsvereins: Mit Gregor Gysi hat zum ersten Mal ein Linken-Politiker den Karnevalsorden wider den tierischen Ernst bekommen. Verpasst hat der bayerische Finanzminister und Vorjahresritter Söder auch die Gesangseinlage von FDP-Chef Christian Lindner: „Hurra wir leben noch“, trägt Lindner, 2014 selbst zum Ritter geschlagen, frei nach Chanson-Sängerin Milva vor - nicht ganz tongenau, aber durchaus mutig.

Gregor Gysi steigt als Gregor Gysi in die Bütt, ohne Verkleidung, im schwarzen Anzug. Es setzt der Gysi-Effekt ein: Die Leute im Saal hören ihm zu. Das Dauermurmeln verstummt. Eine staatliche Auszeichnungen habe er nie bekommen. Für ihn sei der Orden wider den tierischen Ernst die „wichtigste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland“, sagt er. Das wollen die Aachener hören.

Für den Aachener Oberbürgermeister, CDU-Mann Marcel Philipp, hat Gysi einen guten Rat parat: „Da niemand weiß, wie die Wahl 2017 ausgeht - es kann ja alles kommen - empfehle ich Ihnen dringend, sich jetzt so intensiv wie möglich um Würselen zu kümmern. Es könnte sich sehr bezahlt machen“, sagt Gysi. Dass SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz aus Würselen stammt, muss er erst gar nicht erwähnen.

Das Plädoyer für den Erhalt Europas und den Stopp der Rechtspopulisten hätte der Vorsitzende der europäischen Linken so auch auf politischer Bühne halten können. Egal, die Leute hören ihm zu - auch als er nachdenklich wird.

1990 hätte man ihn für verrückt erklärt, wenn er jemandem gesagt hätte, dass er einmal diesen Orden bekommen würde, sagt Gysi. Dass er ihn jetzt habe, sei Ausdruck einer beachtlichen Veränderung. „Es hat mich lange und harte Arbeit gekostet. Wir alle haben uns verändert und ein bisschen zueinander gefunden. Das war nicht so leicht. Aber ich bin ein bisschen stolz darauf, es geschafft zu haben.“

Es ist so etwas wie ein Gesetz, dass der Vorjahresritter die Laudatio halten muss. Doch Söder saß bei seiner Entscheidung gegen Aachen offensichtlich in der Klemme, wie er in seiner Video-Botschaft mit Seppelhut auf dem Kopf deutlich macht. Der CSU-Ball in Nürnberg und Gregor Gysi seien eben unvereinbar, bedauert Söder.

Ohnehin sei die Laudatio auf den neuen Ordensritter eine etwas heikle Angelegenheit: „Also was kann ich da sagen, ohne gleichzeitig da Ärger zu kriegen mit meinem Bundesland und der CSU. Sie wissen ja, Horst Seehofer ist da bei mir nicht so nachgiebig.“ Galaxien lägen zwischen Berlin und Bayern.

Aber das Ende seiner Botschaft ist versöhnlich. Er und Gysi seien Steinbock, könnten umarmen und aushalten, sagt der CSU-Mann. „Das haben wir beide bewiesen, er mit (dem ehemaligen Linken-Chef Oskar) Lafontaine, ich arbeite bei (CSU-Chef) Horst Seehofer noch dran.“

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