Karlsruhe verteidigt das ZDF gegen die Politik

Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Grundsatzurteil zum ZDF den Einfluss der Politiker auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begrenzt.

Karlsruhe verteidigt das ZDF gegen die Politik
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Die Aufsichtsgremien dürften höchstens zu einem Drittel mit Vertretern aus Staat und Parteien besetzt werden, entschieden die Richter am Dienstag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe nicht zum „Staatsfunk“ werden (Az. 1 BvF 1/11 u.a).

„Die Entscheidung stärkt die Unabhängigkeit des ZDF“, sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut. Karlsruhe habe die Bedeutung eines unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks betont. Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten in Karlsruhe gegen zu viel staatlichen Einfluss beim ZDF geklagt - und waren damit überwiegend erfolgreich. Die Länder haben nun bis Ende Juni 2015 Zeit für eine Neuregelung. Die Rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte: „Wir müssen uns jetzt an die Arbeit machen, um in einem breiten Konsens zu einem guten Staatsvertrag zu kommen.“

Unmittelbar betrifft die Karlsruher Entscheidung nur das ZDF - die Grundsätze des Urteils sind aber auf alle öffentlich-rechtlichen Sender anwendbar, also auch auf die ARD-Anstalten. „Für jede einzelne ARD-Anstalt ist die Situation im Detail unterschiedlich“, sagte der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor, zugleich NDR-Intendant. „Für den NDR-Staatsvertrag ergibt sich aus dem Urteil nach erster Durchsicht meiner Meinung nach kein unmittelbarer Änderungsbedarf.“ Derweil forderte in Baden-Württemberg die CDU-Landtagsfraktion, den SWR-Staatsvertrag auszusetzen und neu zu verhandeln. „Der vorläufig von Grün-Rot verabschiedete Staatsvertrag ist verfassungswidrig“, sagte Fraktionschef Peter Hauk.

„Das Gebot der Staatsferne verbietet eine Instrumentalisierung des Rundfunks durch den Staat und verlangt eine weitgehende Besetzung der Aufsichtsgremien mit staatsfernen Mitgliedern“, sagte der Vizepräsident des obersten deutschen Gerichts, Ferdinand Kirchhof, bei der Urteilsverkündung.

Derzeit besteht der Fernsehrat des ZDF, der 77 Mitglieder hat, zu 44 Prozent aus staatsnahen Vertretern. Im Verwaltungsrat, der den Intendanten überwacht, sind 6 von 14 Mitgliedern Staat und Parteien zuzurechnen. Das ist nach dem Urteil vom Dienstag zu viel.

Die anderen, „staatsfernen“ Gremienmitglieder vertreten größtenteils gesellschaftliche Gruppen - beispielsweise Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeber. Die Richter legten fest, dass diese Gruppen keine Parlamentarier oder hochrangigen Vertreter aus Parteien oder Regierungen in die Gremien schicken dürfen.

Überdies verlangt das Gericht, dass die gesellschaftliche Vielfalt in den Gremien gesichert werden müsse. Die Benennung der „staatsfernen“ Gruppen müsse „den aktuellen verschiedenartigen gesellschaftlichen Strömungen und Kräften in Deutschland Rechnung tragen“, heißt es in dem Urteil. Eine „Dominanz von Mehrheitsperspektiven“ und eine „Versteinerung“ bei der Gremienbesetzung müsse verhindert werden.

Auslöser der Klage von Rheinland-Pfalz und Hamburg war der Streit um den früheren ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender gewesen. 2009 hatten CDU-nahe Verwaltungsräte Brenders Vertrag nicht verlängert, obwohl sich der Intendant dafür ausgesprochen hatte. „Ich glaube, die Auseinandersetzungen um meinen Fall haben sich gelohnt“, sagte Brender. „Das Urteil des Gerichts ist relativ klar: Es erfordert eine Menge an Veränderungen in den Bundesländern, neue Staatsverträge. Und es zeigt deutlich den Politikern die Grenzen ihres Einflusses auf.“

Verfassungsrichter Andreas Paulus forderte in einem Sondervotum noch weitergehende Schritte zur Sicherung der Staatsferne. Vertreter von Bundes- und Landesregierungen seien aus den Gremien des ZDF „entweder ganz auszuschließen oder jedenfalls auf eine Minimalpräsenz im Fernsehrat zu beschränken“.

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