„Große Worte“ - Henri Nannen Preis verliehen

Hamburg (dpa) - Einen Preis für sein Lebenswerk wollte der Journalist und Autor Wolf Schneider dann doch nicht entgegennehmen: Schließlich feiert er an diesem Samstag erst seinen 86. Geburtstag.

Nur als „Lebensabschnittspreis“ akzeptierte der unerbittliche Hüter der deutschen Sprache einen der begehrten Henri Nannen Preise. Und gab den 1200 Ehrengästen bei der Verleihung des renommierten Journalistenpreises sein Lebensmotto mit auf den Weg: „Kein Yoga, kein Joghurt, Dampf in der Hütte und ein Hauch von Leichtsinn bis zum Schluss.“

In fünf Kategorien vergab das Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr in der Nacht zum Samstag seinen mit insgesamt 35 000 Euro dotierten Preis zur Erinnerung an „Stern“-Gründer Henri Nannen. Eine hochkarätig besetzte Jury kämpfte sich dafür durch 791 Arbeiten des deutschen Online- und Printjournalismus.

Mit der glanzvollen Gala im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg feierte die deutsche Journalistenzunft sich selbst. Um die „Unvergänglichkeit großer Worte und Gedanken“ zu unterstreichen, wurde die Bühne mit klassischen Statuen dekoriert. „Qualitätsjournalismus ist mehr als das schnelle Übermitteln von Fakten und Meinungen“, betonte Gruner + Jahr-Vorstandschef Bernd Buchholz. „Recherche, Nachfrage und Selektion: Journalismus soll mehr als das Vordergründige vermitteln“.

Auch die Französische Wochenzeitung „Le Canard enchainé“, die den Preis für die Pressefreiheit bekam, nahm ihren Henri Nannen Preis nicht so richtig an: „Wir lehnen den Preis ab. Aber die Ehre verweigern wir nicht“, sagte ein Mitglied der Redaktion, die sich aus Prinzip nicht auszeichnen lässt, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Das Blatt, das auch auf den Abdruck von Werbung verzichtet, will das Preisgeld deutschen und französischen Journalisten zur Verfügung stellen.

„Ich kann das ja noch gar nicht glauben - ich bin doch nicht vom „Spiegel“ und nicht vom „Stern““, sagte Christine Kröger vom „Weser-Kurier“ erfreut und nahm sehr überrascht die Skulptur des „Henri“, eine von dem Berliner Bildhauer Rainer Fetting geschaffene Bronzeskulptur von Henri Nannen (1913-1996), in Empfang. Sie erhielt den Henri Nannen Preis für die „beste investigative Leistung“. Ihre Arbeit „Im Zweifel für den Staatsanwalt“ zeige, dass nicht nur die großen Magazine die investigative Kontrollfunktion der Presse wahrnehmen können, meinte die Jury.

Der Preis für die beste Dokumentation ging an ein elfköpfiges Team vom Magazin „Spiegel“ für den Beitrag „Ein deutsches Verbrechen“. Ulrike Demmer, Markus Feldenkirchen, Ullrich Fichtner, Matthias Gebauer, John Goetz, Hauke Goos, Jochen-Martin Gutsch, Susanne Koelbl, Shoib Najafizada, Christoph Schwennicke und Holger Stark analysierten Abläufe und Verantwortlichkeiten des Bombardements der Tanklaster bei Kundus. „Sie haben im besten Sinne des Wortes aufgeklärt“, sagte der Laudator, „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort.

In der Kategorie Humor wurde Hans Zippert ausgezeichnet. Sein Beitrag „Mich trifft der Schlag“ erschien in der Tageszeitung „Die Welt“. „WAZ„-Chefredakteur Ulrich Reitz sagte: „Man muss schon ein Meister seines Faches sein, um über den eigenen Schlaganfall humorvoll herzuziehen.“ In der Königsklasse Reportage ging der Henri Nannen Preis an René Pfister vom „Spiegel“. Für seinen Artikel mit dem Titel „Am Stellpult“ hatte er Horst Seehofer am Pult seiner Modelleisenbahn porträtiert. Er habe „Persönlichkeitsnischen“ und „Charakterhöhlen“ eines Mannes im Keller ans Licht gebracht, urteilte „Geo“-Chefredakteur Peter-Matthias Gaede.

Der Fotograf Stephan Vanfleteren wurde für die beste fotografische Autorenleistung ausgezeichnet. Er porträtierte in seiner Fotoreportage „Es gibt was Neues hier seit gestern“ für die Kultur-Zeitschrift „DU“ den Künstler Tomi Ungerer in seinem Studio in Irland.

Den Sonderpreis erhielt Susanne Leinemann, die einen brutalen Raubüberfall erlebte und darüber im „Zeit-Magazin“ unter dem Titel „Der Überfall“ schrieb. „Sie hat eine exemplarische Geschichte über die Abgründe unserer Gesellschaft geschaffen“, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen bei der Übergabe des Preises. Mit professioneller Distanz habe sie ein Stück „außergewöhnlichen Journalismus“ geschaffen.

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