Die Schuld der Erben

Hamburg (dpa) - Abendsonnenschein. Gemächlich strömt die Elbe dem Meer entgegen. Der eine und andere dicke Kahn schiebt sich vorbei. Dem Produzenten Michael Lehmann geht beim Bierchen im Elbe-Lokal „Strandperle“ das Herz auf.

So schön und romantisch kann immer noch die Seefahrt sein - in solchen Stunden jedenfalls.

Sonst geht es im Schifffahrts- und Reedereigeschäft härter zu. Da wird intrigiert und ausgetrickst. Und wenn dann noch die familiären Spannungen einer Reederdynastie dazukommen, läuft es vollends rund. Denn die eigene Familie, sagt ZDF-Redakteur Axel Laustroer, ist „die einzige Bürde, die zu übernehmen man sich nicht aussuchen kann“.

Aufwendige Familiengeschichten mit Thriller-Einschlag sind zu Jahresbeginn beim ZDF fast schon Tradition. Iris Berben war „Die Patriarchin“, es folgte „Die Rebellin“, und zuletzt wurden „Familiengeheimnisse“ gelüftet. Um ein Familiengeheimnis geht es auch im zwei Stunden langen Epos „Die Schuld der Erben“ am Donnerstag (5. Januar, 20.15 Uhr): Was war mit der Frau des Reeder-Patriarchen? Woran ist sie vor Jahren gestorben?

Und während man sich nach außen hin im allmählich vergilbenden Glanz der Firma sonnt, knistert und zischelt es nur so im Hintergrund. Dazu die Frage: Kann die Reederei in dieser schwierigen Zeit bestehen? Die Heuschrecken schwirren schon heran.

Eine Ironie für sich: Unter Uwe Jansons Regie entstand in diesem Herbst der Film zu beträchtlichen Teilen auf dem Gelände der Hamburger Traditionswerft Blohm & Voss, deren möglicher Verkauf parallel dazu heftigst diskutiert wurde. Und einige originale Blohm & Voss-Leute wirkten auch mit. Ansonsten stand hier eine wahre Schauspielerelite bereit, darunter Gaby Dohm, Katharina Wackernagel und Matthias Koeberlin.

Otto Sander, nach mehrjähriger Filmpause, trat als Firmenpatriarch erstmals wieder vor die Kamera. Sein Kollege aus „Boot“-Tagen, Jürgen Prochnow, ist auch dabei als einer, der am Ende nicht ganz so warmherzig-hilfsbereit sein könnte, wie es zunächst den Anschein hat. Dennoch fliegt Lisa Martinek als Firmenmiterbin auf ihn, da er ihr jene Wärme zu geben scheint, die ihr der eigene Vater immer vorenthalten hat. Und auch zwischen ihr und ihrem Bruder Henning geht es nicht übermäßig warmherzig zu. Zumal dieser Bruder nach der Herrschaft über die Firma strebt.

Johann von Bülow spielt ihn und beschreibt den Charakter so: „Das ist so einer dieser ungeliebten, verlorenen Söhne, wie sie oft in der Literatur vorkommen.“ Er beneidet solche Erben um ihren von Anfang an festgelegten Lebensweg nicht: „Ich glaube nicht, dass solche Menschen sehr glücklich sind. Ein Luxus-Problem, sicher. Aber ein Problem.“

Lisa Martinek stimmt zu: „Mein Vater war Architekt mit eigenem Büro. Er hat zu meinem Bruder und mir gesagt: Wenn einer von euch Architekt werden will, bekommt er mein Büro schon mal nicht. Das war sehr klug von ihm.“

Da wurde sie denn, obgleich Architektur sie reizte, lieber Schauspielerin. Und genießt solch schillernde, nuancenreiche Rollen wie hier die Clara, die zunächst verschreckt und neurotisch wirkt, um dann zunehmend an Sicherheit und Selbstbewusstsein zu gewinnen. Da können sich auch am Ende Bruder und Schwester in die Arme schließen: „Die Sehnsucht nach Nähe zum anderen ist eigentlich immer da.“

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