Die lange Welle hinterm Kiel

Hamburg (dpa) - Gespenster der Vergangenheit hocken überall. Selbst im Speisesaal des Luxusdampfers, der gemächlich über die Meere schippert. Beim Dinner schreckt dort eine alte Dame zusammen:

Die Stimme hinter ihr kennt sie. Der Mann am Nebentisch hat anno 1945 im Sudetenland Deutsche hinrichten lassen, darunter ihren ersten Mann. Aber auch dieser jetzt so joviale Herr mit der samtenen Bassstimme hat sein persönliches Blutopfer gebracht. Denn sein Bruder war von diesem Mann, einem strammen Nazi, während der Besatzungszeit ermordet worden: Auge um Auge...

Nicht Schuld gegen Schuld aufzurechnen, sondern zu der einen wie der anderen Schuld zu stehen und Mord auf der einen wie anderen Seite Mord zu nennen, war immer schon ein Hauptanliegen des tschechischen Autors Pavel Kohout. Darüber schrieb er seinen Roman „Die lange Welle hinterm Kiel“, der zunächst „Spätlösung“ hieß und in seiner ersten Version ein Drehbuch war.

Nun wurde er, von Klaus Richter geschrieben und unter Kohouts Mitarbeit, wieder zum Drehbuch. Regisseur Nikolaus Leytner setzte es in Szene. „Die lange Welle hinterm Kiel“ läuft am Mittwoch (4. Januar) um 20.15 Uhr in der ARD - eine Art Anti-„Traumschiff“ für Anspruchsvolle.

Wie schon in Leytners Verfilmung der Dürrenmatt-Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ spielt auch hier Christiane Hörbiger die böse alte Dame mit dem geladenen Revolver im Kabinensafe. Mario Adorf ist ihr Gegenspieler, Veronica Ferres seine Schwiegertochter, die sich nach einer gescheiterten Ehe am liebsten auf dieser Reise umbringen würde, wenn da nicht Sigi wäre, der Großneffe der alten Dame. Der steht ihr tröstend zur Seite. Und hat selbst noch eine dunkle Schuld abzutragen, die Mitverantwortung für den Unfalltod seines besten Freundes.

Produzent Thomas Hroch ist auf das renommierte Ensemble sehr stolz: „In den fünf Jahren, in denen wir dieses Projekt vorbereiteten, habe ich von genau dieser Besetzung geträumt. Nun hat sich der Traum erfüllt.“ Und als Glücksfall sieht er auch die Besetzung des Sigi mit dem jungen Christoph Letkowski von der Berliner Volksbühne, der im Märchenfilm „Das blaue Licht“ die Hauptrolle gespielt hatte.

Veronica Ferres war dort die Hexe und vom jungen Kollegen so beeindruckt gewesen, dass sie ihn für die Sigi-Rolle empfahl. Mit kleinem Schauder trat er nun in den Kreis der hochprominenten Mitspieler. Aber Groß-Schauspieler, merkte er bald, sind auch nur Menschen und sehr zugängliche, hilfsbereite dazu. Mit der Hörbiger war er rasch beim Du, mit der Ferres durfte er für eine Episode nach Sri Lanka fahren, um bei einem sinnlich wilden Tanzfest der Einheimischen dabei zu sein. Eindrucksvoll, aber auch furchterregend, wie Ferres mit ängstlichem Seitenblick meint: „Hoffentlich stürzen die sich nicht alle am Schluss auf mich.“

Autor Kohout hatte diesen Tanz auf Bali gesehen und ihn in seinen Roman eingearbeitet. Erst hier auf Sri Lanka, während der Filmaufnahmen, erfuhr die Crew, dass es sich tatsächlich um kein balinesisches, sondern indisch-ceylonesisches Ritual handelt. „So haben wir unwissentlich einen Ritus in seine alte Heimat zurückgeführt“, sagt Hroch.

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