Ben Kingsley lebt den „Medicus“

Köln (dpa) - Wer einen Roman liest, macht sich die Bilder im Kopf selbst. Wer den Roman verfilmt, beschwört die Bilder herauf, als wären sie echt.

Und das macht das Leben eines Regisseurs nicht gerade einfach, wie Philipp Stölzl erzählt, der gerade den Weltbestseller „Der Medicus“ von Noah Gordon dreht: „Im Roman steht recht schön: "Er eröffnete den Körper der Leiche und vor ihm tat sich die Wunderwelt der Organe auf." Aber wie das im Film aussieht, dass das dann auch wirklich als Wunderwelt kommt und nicht alle denken "oh, Fleischerladen", das sind die kleinen Hürden, die man jeden Tag hat.“

Gut die Hälfte der 60 Drehtage ist schon vorbei, und ein erster Trailer zeigt, dass Weihnachten 2013 ein bildmächtiger Film in die Kinos kommen und später als Zweiteiler in der ARD laufen wird. Das Kalte und Graue des englischen Mittelalters, die Reise des künftigen Medicus nach Persien zu seinem Lehrer Ibn Sina, der Palast des Schahs von Persien - der Historienroman wird zur filmischen Zeitreise.

Aber es soll nicht nur Spektakel sein. Tom Payne (29) ist sehr angetan von seiner Rolle, von dem Jungen, der sich aufmacht, um die Medizin zu studieren: „Er repräsentiert jemanden, der kein Ende sieht, wenn es darum geht, zu lernen und als Mensch etwas zu erreichen. Er ist ein Charakter ohne Grenzen“, sagte Payne am Montag in Köln in den MMC-Studios. Hier entstehen die Szenen im persischen Krankenhaus und im Schah-Palast. Außenaufnahmen in Thüringen und Sachsen-Anhalt sind schon im Kasten, demnächst zieht der 130 Leute starke Tross weiter nach Marokko.

In Köln wurden also persische Bauten nachgestellt. Das meiste Holz ist echt - die kleinen zweiflügeligen Türen, die ins Krankenhaus führen, kommen aus Indien. Wer genau hinschaut, erkennt oben am Rahmen den elefantenköpfigen Hindugott Ganescha - aber im Film wird er nicht zu sehen sein. Die Steine wirken massiv und klingen hohl - sie sind aus Kunststoff. Der abgeschlagene Plastikkopf eines Boten, der eine unerwünschte Nachricht brachte, liegt auf einer Stufe inmitten einer Kunstblutlache, umringt von orange-weißen Signalhüten, damit niemand hineintritt. Typisch auch für ein Filmset ist der rote Hubwagen für die Kamera gleich neben dem mittelalterlichen Schah-Zimmer mit seinen Perserteppichen.

Stölzl (45, „Nordwand“) will mit der Verfilmung keine Bezüge zu den heutigen Konflikten im Nahen Osten oder gar zum Atomstreit mit dem Iran herbeizwingen. Aber die Arroganz gegenüber dem Orient infrage stellen, das will er schon: „Ich finde es schön, dass der "Medicus" als Roman und als Film daran erinnert, dass ein Großteil unserer Kultur, wie wir sie heute haben, aus dem Orient kommt - die Medizin, die Zahlen, die Astronomie etcetera.“

Der große Star am Set ist Oscar-Preisträger Ben Kingsley (68), der Ibn Sina spielt. Extrem diszipliniert arbeite er, präzise und ohne Allüren, hört man in Köln. Kingsley hatte den „Medicus“ nicht gelesen, als er die Rolle bekam, und es auch bis heute nicht nachgeholt, erzählt er: „Ich habe mich entschieden, statt mich von dem Roman beeinflussen zu lassen, in dem Roman zu leben.“

1986 erschien Gordons Buch, ein Jahr später auf Deutsch, und seitdem wollte Produzent Wolf Bauer von UFA Cinema ihn verfilmen. Aber die Rechte lagen 20 Jahre lang - ungenutzt - bei anderen. Als sie vor fünf Jahren frei wurden, reisten Bauer und sein Kollege Nico Hofmann zu Gordon, der mittlerweile 85 Jahre alt ist, und überzeugten ihn bei einem Spaziergang, ihnen den Stoff anzuvertrauen. „Wir haben wirklich den richtigen Moment abgewartet“, meint Hofmann.

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