Generation Einheit? Antworten aus Ost-Sicht

Die deutschen Kinder haben eine gemeinsame Kultur, sagt Matthias Richter.

Herr Richter, welche Bedeutung hat für Sie die Mauer heute noch - als "Ostkind"?

Richter: Die Mauer hat für mich einen rein symbolischen Charakter, welche ich nur durch den Geschichtsunterricht kennengelernt habe. Auf mein Leben hatte die Mauer nie den Einfluss, den sie auf vorherige Generationen hatte, da ich durch den Mauerfall nur die guten Seiten der sozialen Marktwirtschaft und nicht die zumeist negativen Aspekte der Planwirtschaft erlebt habe.

Glauben Sie, dass Ihr Leben anders verlaufen wäre, wenn Sie im Westteil Deutschlands aufgewachsen wären?

Richter: Nein, ich sehe mich als Kind eines geeinigten Deutschlands, das immer die gleichen Chancen hatte im Osten wie im Westen, unter anderem durch die großen Firmen, die sich hier in Jena angesiedelt haben, wie Carl-Zeiss Jena. Ich hatte nie das Gefühl, schlechter mit meinen Möglichkeiten dazustehen als im Westen Deutschlands, da hier die Friedrich-Schiller-Uni - für eine gute Bildungschance stehend -, ein gutes Schulsystem und vielfältige andere Möglichkeiten für mich erreichbar waren und sind.

Haben Sie Freunde aus dem Westen?

Richter: Ja, ich habe Freunde aus dem Westen, beispielsweise aus München oder Kassel.

Wie unterscheiden die sich von Ost-Freundschaften? "Ticken" die anders?

Richter: Ja, es gibt Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Da sind beispielsweise Unterschiede in der Kommunikation - etwa bei typisch ostdeutschen Begriffen wie Schnitte oder Mutschekiepchen (Marienkäfer). Aber an sich merke ich keine weiteren Unterschiede. Die ostdeutsche Jugend musste sich eigene Wege schaffen, um Freiheit für sich zu spüren. Das brauche ich heute nicht mehr. Die deutschen "Kinder" haben eine gemeinsame Kultur mit verschiedenen Facetten.

Kennen Sie die andere Hälfte Deutschlands?

Richter: Ja, Städte wie Regensburg, München oder eben den Westteil Berlins kenne ich gut. Dabei konnte ich städtebaulich keine großen Unterschiede feststellen, jedenfalls nicht zu meiner Heimatstadt Jena. Die Unterschiede schmelzen immer mehr, was die Äußerlichkeiten in den Stadtbildern oder die Menschen betrifft. Jedoch, so denke ich, wird die Einheit in den Köpfen der Menschen noch Zeit benötigen, damit dort die Mauer wirklich fällt.

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