Fotos des Ukraine-Krieges Die Sprache der Bilder

Kiew · Im Ukraine-Krieg sind schon viele Bilder um die Welt gegangen. Es sind Fotos eines Krieges, die abbilden – und die Einfluss auf das Geschehen nehmen sollen.

 9. März, Mariupol: Ukrainische Rettungskräfte und Freiwillige tragen eine verletzte schwangere Frau nach dem Beschuss aus einer Entbindungsklinik.

9. März, Mariupol: Ukrainische Rettungskräfte und Freiwillige tragen eine verletzte schwangere Frau nach dem Beschuss aus einer Entbindungsklinik.

Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa/Evgeniy Maloletka

Bilder im Krieg –  sie können informieren über das, was geschieht. Gewiss, unter dem Vorbehalt möglicher Manipulationen. Und: Sie können als Beweismittel dienen, um später einmal Täter gerichtlich zu überführen, die sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben. Sie können aber auch eine psychologische Wirkung haben: wenn sie es schaffen, zu motivieren.  Diese Motivationswirkung dürfte im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einen kaum zu überschätzenden Effekt haben. Weil, anders als bei früheren Kriegen, diese Bilder millionenfach in Echtzeit über die sozialen Medien verbreitet werden. Dabei könnte die Bildsprache der beiden Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj  unterschiedlicher nicht sein:

Putin, der entrückte Herrscher, der dieses Entrücktsein, den auch körperlichen Abstand vom Rest der Welt,  besonders deutlich macht. So geschehen, als er sich kurz vor dem von ihm befohlenen Angriff auf die Ukraine mit den an der Nase herumgeführten Staatenlenkern Emmanuell Macron und Olaf Scholz gegenüber saß – an einem überdimensionalen Tisch. Aber auch sein eigener Führungszirkel wird körperlich auf Abstand gehalten, wenn er seine Orders erteilt. Das scheint nicht nur der Angst vor einer Coronainfektion geschuldet zu sein, sondern soll auch das Autoritätsgefälle zu den eigenen Leuten offenbar machen. Er geriert sich als Herrscher des Volkes.

Ganz anders Wolodymyr  Selenskyj. Er will sich als  Mann des Volkes zeigen. Im T-Shirt, unrasiert, im Bunker mit seinen Leuten, im Selfie vor dem Präsidentenpalast. Bilder, die keinen Zweifel lassen sollen: Ich bin einer von euch, ich bleibe bei euch. Einer, der diese Haltung auch in Videoschalten etwa ins Europa-Parlament transportiert und Solidarität einwirbt. Einer, der sich per Videobotschaft auf Russisch an die russische Bevölkerung wendet. Mit dem Signal, dass er diese nicht gleichsetze mit ihrer Führung. 

Fotos des Ukraine-Krieges: Die Sprache der Bilder
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Die Sprache der Bilder im Ukraine-Krieg

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Foto: dpa/Marta Smekhova

Auch für Putins absurd langen Tisch hat Selenskyj ein Gegenbild parat. Welch ein Gegensatz zu dem riesigen weißen neoklassizistischen Möbel war doch das Sparmodell, auf dem er sein improvisiertes Beitrittsgesuch zur Europäischen Union unterschrieb.

Als ehemaliger Komiker und Schauspieler, der als solcher auch in der russischen Bevölkerung bekannt ist, hat es Selenskyj verinnerlicht, nach außen sichtbar zu sein. Zu wirken. Putin hingegen, der frühere Geheimdienstmann, kommt aus dem Reich der Unsichtbarkeit. Später, als Präsident setzte er den pompösen Auftritt ein, um seine Macht zu demonstrieren. Es wirkt, als habe er die Geschichtsbücher im Blick, wenn er sich und seine Macht auf ikonischen Bildern inszeniert. 

Ganz anders Selenskyj, der in seiner Antrittsrede als Präsident im Jahr 2019 sagte: „Ich möchte kein Bild von mir als Präsidenten in euren Büros. Der Präsident ist keine Ikone, ein Idol oder ein Porträt. Hängt stattdessen Fotos von euren Kindern auf und schaut darauf, wenn ihr eine Entscheidung trefft.“

Wenn nun die Ukrainer selbst dafür sorgen, dass Bilder von der Rücksichtslosigkeit der Angreifer transportiert werden, so ist das immer ein schmaler Grat. Der Schrecken etwa der Bombardierung einer Entbindungsklinik oder von Wohnhäusern könnte auch die eigene Bevölkerung demoralisieren. Umso wichtiger sind die Gegenbilder: Fotos und Videos von Menschen, die sich unbewaffnet russischen Soldaten und deren gepanzerten Fahrzeugen entgegenstellen. Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko, der in Kampfkleidung bei seinen Leuten ist. Menschen, die Molotowcocktails zusammenbasteln und so ihren Kampfgeist beschwören. Explodierende russische Panzer. Aber auch das kleine Mädchen, das die Menschen mit seinem  Gesang im Schutzbunker zu Tränen rührt. All das sorgt weltweit für Solidarität und Hilfe. Auch wenn diese nicht in dem Ausmaß kommt, den sich die Ukrainer erhoffen. 

Dagegen die Bilder, die von der russischen „Heimatfront“ zu sehen sind: Anti-Kriegs-Demonstranten in Moskau, St. Petersburg oder anderen Städten werden sofort verhaftet. Auch wenn es ein Übergriff auf die eigenen Leute ist, will man den nicht verheimlichen – dient er doch als Warnung an mögliche Nachahmer.  

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