Fernsehen: Deutschlands Talkshow-König

Erich Huber hat schon bei 650 TV-Gesprächsrunden auf der Tribüne gesessen. Premiere war bei Christiansen.

Berlin. Erich Huber hatte es sich abends im Fernsehsessel bequem gemacht. Interessiert schaute sich der alte Herr in der ARD die Polit-Talkshow "Sabine Christiansen" an. Er war gerade pensioniert worden und aus Franken nach Berlin gezogen. Mit 65 Jahren sicher ein mutiger Schritt.

"Ich will halt noch was erleben, ins Theater und ins Musical gehen, Politik und Kultur hautnah spüren - und wo geht das besser als in Berlin", sagt er. "Immer nur allein vor der Glotze zu sitzen, einzuschlafen und irgendwann nicht mehr wach zu werden - nee, das ist nichts für mich!"

Genau deshalb griff er an diesem Abend, als bei Sabine Christiansen die Ticket-Hotline eingeblendet wurde, zu Kuli und Notizblock, hängte sich ans Telefon und bestellte eine Eintrittskarte für die nächste Sendung. "Ich wollte unbedingt einmal diese knisternde Live-Atmosphäre in einem Fernsehstudio miterleben", sagt er mit funkelnden Augen. "Und vielleicht auch die Gelegenheit nutzen, nach der Sendung mal mit einem prominenten Politiker oder einflussreichen Wirtschaftsboss zu diskutieren."

Der Besuch bei Christiansen - er ist nun fünf Jahre her. Inzwischen bestimmen TV-Termine längst den Terminkalender des heute 70-Jährigen. Erich Huber ist wohl Deutschlands ungekrönter "Talkshow-König". Niemand, davon geht man beim "TV-Ticketservice" aus, hat so oft im Publikum von Polit-Talks gesessen wie der rüstige und unternehmungslustige Wahl-Wilmersdorfer. Auf rund 650Sendungen kam er, als er jüngst bei Kaffee und Kuchen in fränkischer Gemütsruhe überschlug, wie viele Male er denn nun auf den Tribünen diverser Talkrunden Platz genommen hat.

Sabine Christiansen, Maybrit Illner, Anne Will, Justus Kliss, Heiner Bremer, Lothar Späth, Leo Busch - er kennt sie alle. Und sie kennen ihn. Seit Jahren schon rufen Mitarbeiter vom "TV-Ticketservice" ihn an, lesen ihm Sendetermine und Themen vor - und Erich Huber wählt "seine" Sendungen aus. Meist sind es drei pro Woche.

Im ZDF-Studio winkt ihm Maybrit Illner nach der Sendung zu: "Grüße Sie, schön Sie zu sehen, wie geht’s Ihnen - und wie hat Ihnen die Sendung gefallen?" Gut hat sie ihm gefallen. Und die Moderatorin sowieso. Für Erich Huber ist "die Maybrit absolut top. Intelligent, charmant, redegewandt, mit Witz und Einfühlungsvermögen".

Aber jetzt mal Hand aufs Herz, Herr Huber: Verlieren Sie nach 650 Talkshow-Besuchen nicht langsam die Lust? "Absolut nicht", wiegelt er ab. "Ich freue mich auf jede Sendung, als wäre es die erste. Die Themen und die Gäste-Runden sind doch immer wieder neu, die machen jede Talkshow zu einem Unikat." Und erzielen manchmal überraschende Wirkung. "Bei der Maybrit bin ich mal als ‚Schwarzer’ rein ins Studio und als ‚Roter’ wieder raus", erzählt er und lacht. "Da hat Wolfgang Clement zum Thema ‚Abzocke - die Großen sahnen ab, und die Kleinen fliegen raus’ derart leidenschaftlich und überzeugend argumentiert, dass ich extra-lange geklatscht und ‚Bravo’ gerufen habe."

Was König Erich aber prompt Ärger einbrachte: "Am nächsten Tag riefen mich Freunde aus Bayern an, die mich im TV gesehen hatten und klangen ganz empört: ‚Mensch, Erich, wie du für den Clement geklatscht hast - das ist doch der falsche Mann, der ist doch bei der SPD..." Mittlerweile ist Wolfgang Clement kein SPD-Mitglied mehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort