Fasten: Ein Genießer mit guten Vorsätzen

Aschermittwoch: Mönch Marcio wird traditionsgemäß ab heute fasten. Gewicht zu verlieren ist aber nicht sein Hauptziel.

Velbert. 12.30 Uhr: Es ist Essenszeit im Franziskanerkloster in Velbert-Neviges. Nach einfacher Hausmannskost, bestehend aus Suppe, Fleisch mit Nudeln und Salat, gibt es nun noch Nachtisch. Marcio Lisboa schiebt dem Gast den Schokopudding mit Sahne zu und entscheidet sich selbst für einen fettarmen Joghurt. "Ich will in der nächsten Zeit mindestens fünf Kilo abnehmen", sagt er mit brasilianischem Akzent.

In der vielfach auf Leinwand gebannten Geschichte von Robin Hood gibt es eine Figur mit Namen Bruder Tuck: ein korpulenter Geistlicher mit sonnigem Gemüt und einem ausgeprägten Hang zu Leckereien aller Art. Sollten die Abenteuer im Sherwood Forest noch einmal verfilmt werden, dann wäre der humorvolle Bruder Marcio die Idealbesetzung für diesen "Lebe-Mönch".

Wie die Legendengestalt trägt der 40-Jährige ein braunes Gewand, das an den heiligen Franz von Assisi erinnert. Es ist eine ziemlich weite Kutte, denn der Kaplan im bergischen Wallfahrtsort bringt bei vergleichsweise geringer Körpergröße zahlreiche Kilos auf die Waage - das exakte Gewicht möchte er der Öffentlichkeit nicht preisgeben.

Die Gründe für den beachtlichen Körperumfang liegen hingegen offen auf der Hand: Marcio Lisboa hat schon mehrere Hobbykochkurse hinter sich, besucht regelmäßig Wein-Treffen, schwärmt oft und gerne von der toskanischen Küche. Zur Feier seiner Priesterweihe in Düsseldorf ließ er besonders zubereitete Ferkel aus Italien kommen. Und gerade erst war er in seiner südamerikanischen Heimat, wo es bei Muttern natürlich nur das Beste gab. "In Brasilien habe ich sehr, sehr viel gegessen", seufzt er.

Doch damit ist nun erstmal Schluss, und zwar nicht nur aus körperlichen Gründen, sondern auch aus geistlichen. "Die Fastenzeit bis zur Auferstehung des Herrn sollen sie halten", heißt es in der Regel des Ordensgründers aus dem 13. Jahrhundert.

Vom heutigen Aschermittwoch, an dem bekanntermaßen alles vorbei ist, bis zum Ostersamstag sind also Verzicht und innere Einkehr angesagt. "Ich möchte jetzt persönlich einen kleinen Beitrag leisten", erklärt der Mönch. Das bedeute täglich ein paar Minuten länger konzentriert beten, den Alkohol weg- und Süßigkeiten beiseitelassen. Übertreiben will er es aber nicht: "Ich bin ein Fan der kleinen Dinge, ich werde jetzt also nicht 20Kilogramm abnehmen."

Mittlerweile ist der lange Holztisch im großen Speisesaal abgeräumt, Bruder Marcio serviert einen starken Kaffee aus der vollautomatischen Espressomaschine. Vor dem Tag, an dem in der katholischen Kirche traditionell das Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet wird, feiert der Brasilianer immer noch mal kräftig: "Karneval heißt für mich, dass ich mein Clownskostüm anziehe und mit Freunden durch Köln ziehe." Klar, dass beim alljährlichen Tanzen, Lachen und Singen zwischen Dom und Alter Markt auch das eine oder andere Kölsch nicht fehlen darf.

Horst Lichter Der Starkoch aus Rommerskirchen, hat ein neues Buch veröffentlicht. Der Titel "Genießen erlaubt" ist auch sein Motto für die Fastenzeit: "Ich verzichte auf nichts nur aus religiösen Gründen. Fasten kommt für mich sowieso nicht in Frage. Es gibt allerdings Phasen in meinem Leben, in denen ich Schokolade und Süßigkeiten aus meinem Haus verbanne, weil die Hose komisch kneift. Dann gibt es beim Hunger statt Nugat eben Obst. Wer allerdings fasten will, sollte einen Besuch in meinem Restaurant besser auf später verschieben, denn Sahne und Butter gibt es bei mir immer. Man geht ja auch nicht zum Schwimmen, wenn man nicht nass werden will."

Gertrud Schnitzler-Ungermann Die Chefin der Düsseldorfer Privatbrauerei Schumacher, macht mit Beginn der Fastenzeit erst einmal Urlaub: "Dann habe ich nach den tollen Tagen endlich Zeit, mich selbst ein wenig zu verwöhnen. Ich gönne mir vor allem Ruhe, möchte zu mir selbst und zu meiner Familie finden - und kann endlich einmal ganz genüsslich Zeitung lesen. Um richtig fasten zu können, müsste ich aber auf eine Insel fahren. In unserem Brauereiausschank an der Düsseldorfer Oststraße werde ich nämlich viel zu oft in Versuchung geführt. In der Küche muss ich immer wieder probieren - allzu oft bleibt es aber nicht dabei. Der Wille ist dann zwar da, aber das Fleisch ist schwach."

Heinz-Richard Heinemann Der Chocolatier und Konditormeister, mit mehreren Cafés am Niederrhein, fastet zweimal im Jahr: "Jeder Verzicht steigert später nur den Genuss. Man schmeckt viel intensiver süß, sauer oder bitter. Anfangs fiel das Fasten nicht ganz so leicht, aber wegen des großen Erfolges lasse ich mich mittlerweile selbst von den Leckereien aus dem eigenen Haus nicht mehr in Versuchung führen. Das Fasten ist eine Zeit der Reinigung von Körper und Seele. Jeweils zwei bis drei Wochen lang vor Ostern und nach der Düsseldorfer Kirmes verzichte ich auf Alkohol. Die Mahlzeiten fallen sehr reduziert aus, etwa morgens zwei Knäcke, mittags Gemüsebrühe und abends eine Avocado."

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