Familiendrama in Leipzig: Junge schrie um Hilfe

Leipzig (dpa) - Der tragische Tod eines zweijährigen Jungen, der in Leipzig neben seiner leblosen Mutter vermutlich verdurstete, hätte möglicherweise verhindert werden können. Am Samstag wurde bekannt, dass Nachbarn Schreie des Kleinen gehört hatten.

Niemand aber informierte die Polizei - weil der Junge in den vergangenen Monaten immer wieder geschrien habe, sagte ein Polizeisprecher. Die Staatsanwaltschaft werde sich auch mit dem Verhalten der Nachbarn befassen, sagte deren Sprecher Ricardo Schulz.

Das Kleinkind war am vergangenen Sonntag zusammen mit seiner 26 Jahren alten Mutter tot in einer Wohnung im Stadtteil Gohlis gefunden worden. Obwohl vorläufige Obduktionsergebnisse bei beiden einen natürlichen Tod nahe legen, beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft. Hinweise auf eine Gewalttat gibt es bisher nicht. „Wir prüfen derzeit in mehrere Richtungen, ob möglicherweise Unterlassungshandlungen vorliegen“, sagte Schulz. Derzeit lägen jedoch noch keine Anhaltspunkte dafür vor. Es sei zu klären, ob es beim Jugendamt oder dem Allgemeinen Sozialdienst Versäumnisse gegeben habe.

Die Stadt will nach Angaben von Sprecher Matthias Hasberg am kommenden Montag Drogenhilfe, Gesundheitsamt, Sozialdienst und Jugendamt an einen Tisch holen. „Wir wollen sichergehen, dass es bei der Betreuung der Mutter tatsächlich keine Lücke gab.“ Diese habe nach bisherigen Kenntnisstand ihr Kind nie vernachlässigt, fügte er hinzu.

Am Freitag hatte das Jugendamt bestätigt, dass die Mutter dem Amt seit ihrem 16. Lebensjahr wegen ihrer Drogensucht bekannt war. Sie wurde vom Allgemeinen Sozialen Dienst ASD seit 2009 betreut. Den letzten persönlichen Kontakt gab es Amtsleiter Siegfried Haller zufolge am 10. April 2012. Die Frau wollte mit ihrem neuen Lebensgefährten die Stadt verlassen.

Prekär sei, dass nach bisherigem Kenntnisstand genau an diesem Punkt das neue Kinderschutzgesetz nicht gegriffen habe, sagte die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Das seit Januar gültige Gesetz regele eindeutig, wie in Risikofällen wie dem Leipziger eine lückenlose und kontinuierliche Betreuung gewährleistet werden muss. „Zieht jemand um, müssen Unterlagen mit einem persönlichen Gespräch weitergegeben werden.“ Hier habe das Jugendamt möglicherweise versagt.

Der Leipziger Kinderpsychiater Kai von Klitzing forderte ein schärferes Kontrollsystem. Seien Drogenabhängige Eltern, „so handelt es sich um eine Hochrisikosituation“, sagte der Direktor der Leipziger Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag). Hier müssten engmaschige und regelmäßige Kontrollen greifen. So sollten Kinder drogenabhängiger Eltern wöchentlich beim Kinderarzt vorgestellt werden und ebenso oft Besuch von einer Familienhelferin bekommen. Auch der Besuch einer Kindertagesstätte sollte Pflicht sein.

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