Fall Kalinka: Entführter Verdächtigter vor Gericht

Paris (dpa) - Gleich zum Auftakt im spektakulären Prozess um den Tod eines 14-jährigen Mädchens vor fast 30 Jahren droht eine Pause: Das Verfahren gegen einen nach Frankreich entführten deutschen Arzt wegen der Tötung des Mädchens begann mit der Forderung des Verteidigers nach einer Unterbrechung.

Der Mediziner Dieter K. wird verdächtigt, 1982 in seinem Haus am Bodensee seine 14-jährige Stieftochter Kalinka Bamberski getötet zu haben. Die Verteidigung zweifelte die Zuständigkeit des Pariser Schwurgerichts an. Die Kammer will voraussichtlich schon diesen Mittwoch über eine mögliche Unterbrechung entscheiden. Danach könnte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg wie von der Verteidigung gefordert den Fall prüfen.

Der Gerichtshof müsste vor allem mit Blick auf die Schengener Verträge prüfen, ob das Verfahren rechtmäßig ist. Denn Dieter K. war vom leiblichen Vater des Mädchens nach Frankreich entführt worden, um ihn dort vor Gericht zu bringen.

Die Verteidigung berief sich auch auf Paragraf 54 des Schengener Abkommens, wonach Bürgern aus Mitgliedsländern nicht zweimal für etwas der Prozess gemacht werden kann, für den sie sich in einem anderen bereits zu verantworten hatten. Dieter K. wurde in Paris 1995 wegen der Tötung seiner Stieftochter in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt - jedoch hob ein Berufungsgericht das Urteil später wegen Verfahrensfehlern wieder auf. Die deutsche Justiz hatte das Verfahren gegen K. im Fall Kalinka schon Jahre zuvor eingestellt.

Kalinkas leiblicher Vater, André Bamberski, wirft der deutschen Justiz jedoch vor, den Fall nicht ernst genommen zu haben. Er ließ den heute 75-jährigen Arzt daher 2009 von Deutschland nach Frankreich entführen. Auch Bamberski kam am Dienstag zum Auftakt des Prozesses, Die Anklageschrift wurde am Dienstag noch nicht verlesen.

Der Angeklagte selbst hatte mehrfach betont, dass er wegen des Falls nicht rechtmäßig vor Gericht gestellt werden könne, auch weil er in Deutschland nicht belangt wird. Verletzungen von der Entführung beeinträchtigten seine Gesundheit zudem noch heute. Seine Tochter, die auch beim Prozess anwesend war, betonte vor der Verhandlung, sie hoffe, dass das Verfahren die jahrelangen Justizrangeleien beende. Ihr Vater sei unschuldig. Zudem sei sein Gesundheitszustand schlecht. Die ganze Familie stünde hinter ihm, mehrere Geschwister würden aussagen.

Dieter K. kam abgemagert, auf Krücken und zögernden Schrittes in dunklem Blazer und schwarzem Rollkragenpullover in die für den Angeklagten reservierte Glasbox. Er wirkte leicht unkonzentriert bei der Beantwortung der Fragen zur Person, verfolgte danach aufmerksam aber das Geschehen im Saal. Ihm gegenüber saß neben Kalinkas leiblichem Vater auch seine geschiedene Frau, Kalinkas Mutter. Sie hatte bisher weitgehend die Darstellung des Angeklagten gestützt, ist aber nun Nebenklägerin. Der Prozess fand unter starken Sicherheitsbedingungen statt, der Fall hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Das Verfahren soll bis zum 8. April dauern.

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