ETW: Der modernste Windkanal der Welt

Im Porzer European Transonic Windtunnel testen Flugzeugbauer weltweit ihre neuen Flieger.

Köln. Mit hohen Mauern und Stacheldraht komplett von der Außenwelt abgeschirmt liegt in Porz der modernste Windkanal der Welt. Der 1995 in Betrieb gegangene European Transonic Windtunnel (ETW) lockt die führenden Flugzeugbauer nach Köln. Egal ob Airbus oder Boeing — sie nutzen die Hightech-Anlage, um ihre neuesten Modelle zu testen. Der ETW-Kundenkreis reicht von Asien bis nach Amerika.

Damit auf dem hart umkämpften Markt nichts nach draußen dringt, bietet das Unternehmen den Flugzeugbauern sogar einen nach Nato-Kriterien abhörsicheren Raum mit einer Telefonanlage und einen Tresor, in dem die Festplatten der Computer eingeschlossen werden können.

Dauert die Testreihe einmal länger, stehen im Hochsicherheitstrakt Feldbetten, eine eigene Küche und ein Bad zur Verfügung. „Absolute Diskretion ist für uns ein ganz entscheidendes Kriterium“, sagt ETW-Geschäftsführer Guido Dietz.

Im ETW können die Konstrukteure ihre neuen Flieger unter realen Bedingungen testen. Dazu werden bis zu 600.000 Euro teure Modelle aus Spezialstahl in einem Maßstab von etwa 1:30 gebaut und in den Windkanal montiert.

Dort kann sowohl das Flugverhalten im Reiseflug als auch beim Start und bei der Landung getestet werden und das mit einer Genauigkeit, die zu 99 Prozent an einen realen Flug heranreicht. Anders als in der Realität können hier aber auch die Grenzen des Flugbereichs ohne Gefahr für Leib und Leben erkundet werden.

Eine ähnliche Anlage gibt es mit der National Transonic Facility nur noch bei der Nasa in den USA. „Die Anlage ist aber vor dem ETW entstanden, so dass wir aus den Fehlern, die in den USA gemacht worden sind, lernen konnten. Damit haben wir uns klar einen technologischen Vorsprung aufgebaut“, sagt Dietz. Dazu gehört auch, dass die ETW Technologien erst in einer Pilotanlage im Maßstab 1:9 getestet wurden, die sich heute noch auf dem Gelände befindet.

„Für die Flugzeugbauer sind Tests in einer möglichst frühen Entwicklungsphase entscheidend, da neue Modelle meist schon während der Konzeptphase Kunden angeboten und verkauft werden“, erklärt Dietz. Daher sei die Möglichkeit, schon am Modell realistisch die Eigenschaften des neuen Fliegers vorhersagen zu können, von größter Bedeutung. „Erkennt man Probleme erst nach dem Erstflug im Flugtest, kann das sehr teuer werden.“

Bei den Tests kommt es vor allem auf die Aerodynamik der Flugzeuge an. Jeder Millimeter Dicke bei einer Tragfläche bestimmt den Treibstoffverbrauch und das Gewicht des Fliegers — entscheidende Eigenschaften im harten Wettbewerb. So wurden in Porz unter anderem das Superflugzeug A 380 von Airbus und der Dreamliner 787 von Boeing ausgiebig getestet.

Das Herzstück der Anlage ist neun Meter lang und zwei Meter hoch. In ihm wird das Miniflugzeug mit einem 200 Tonnen schweren Modellträger über einen Kran in den Kanal eingebracht. Vorher werden die Modelle in speziellen Vorbereitungsräumen für den Test fertig gemacht. Überwacht und gesteuert wird der Versuch vom zentralen Kontrollraum.

Im Kanal kann der Druck bis auf 4,5 bar erhöht und die Temperaturen bis unter minus 160 Grad Celsius gesenkt werden. Dazu wird pro Sekunde bis zu 250 Kilogramm flüssiger Stickstoff in den Windkanal eingespritzt. Um die Versorgung gewährleisten zu können, fahren vier Tanklastzüge den Stickstoff nonstop von Hürth nach Porz.

Im Windkanal kann eine 1,35-fache Schallgeschwindigkeit erzeugt werden — ein Tempo, dass ein normaler Urlaub- oder Geschäftsflieger nie erreichen könnte. Der Antrieb des ETW leistet bis zu 50 Megawatt — sein Stromverbrauch entspricht je nach Test einem Viertel bis einem Drittel des Verbrauchs der Stadt Köln. Entsprechend teuer sind die Kosten für die Nutzung des Windkanals — sie liegen bei 80.000 bis 100.000 Euro pro Tag.

Das von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden ins Leben gerufene Unternehmen funktioniert als Non-Profit-Organisation, die sich selbst tragen muss und anders als die US-Konkurrenz keine staatlichen Fördermittel mehr erhält.

„Europas Innovationskraft würde davon profitieren, wenn wir neben unserer Dienstleistung für die Industrie auch mehr die Forschung unterstützen könnten — mit dem bisherigen Geschäftsmodell sind wir aber leider zu teuer“, sagt Guido Dietz mit Blick auf die direkt vor seinem Bürofenster liegenden Institute des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

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