Englischer Wein überzeugt auch Queen Elizabeth

Bisher galt die Insel eher als Paradies für Bierfreunde — Klima- und Sinneswandel sorgen jetzt für ganz neue Trinkerlebnisse.

Burgess Hill. Wer sich jemals getraut hat, englischen Wein zu kosten, der musste kein Kenner sein, um darin kräftige Aromen von Nieselregen und Gummistiefeln zu schmecken.

Doch mittlerweile stellt der Sekt der Angelsachsen sogar französischen Champagner in den Schatten. Mike Roberts gehört zu den Weinbauern Südenglands, die auf Bacchus’ Segen und den Klimawandel anstoßen könnten — wenn er dazu denn Zeit hätte.

In jener Nacht, in der das Weingut Ridgeview das inoffizielle Gütesiegel von Queen Elizabeth erhielt, schob Mike Roberts gerade Reben-Notdienst. Nordeuropa drohte Frost und der Roberts harrte dem Alarmklingeln seines Handys, das ihn bei 0,5 Grad in die Weinberge holen würde.

Als es tatsächlich klingelte, war die Botschaft eine unerwartete: Britische Medien hatten die Menükarte des Buckingham Palastes für ein Staatsbankett mit Barack Obama veröffentlicht — und die Queen ließ dem US-Präsidenten einen edlen Tropfen aus Roberts’ Vinyard servieren.

Über dem 40. Breitengrad glich der Weinbau seit Ur-Zeiten einem klimatischen Wagnis: Zu wenig Sonne, zu viel Regen — die Trauben blieben sauer, die Weinstöcke kämpften mit Krankheiten. „Als ich meine Londoner IT-Firma verkauft und mir zum Weinanbauen ein Grundstück auf dem 51. Breitengrad zugelegt habe, erklärten die Leute mich für verrückt“, erzählt Roberts.

Der Sekt sei zwar von Anfang an gut gewesen, aber er habe sich nicht getraut, das Wörtchen „England“ auf dem Flaschenetikett zu verwenden. „Das wäre reines Negativmarketing gewesen“, so der Job-Umsteiger.

Während vor wenigen Jahren kaum jemand Wein von der Insel trinken wollte, können Südenglands Weinbauern heute kaum genug davon produzieren. Mit 1700 Flaschen Sekt hat Roberts angefangen, vergangenes Jahr hat er 220 000 Flaschen umgesetzt. „Wir könnten noch mehr verkaufen“, sagt sein Marketingleiter Oliver Marsh, „doch wir geraten an unsere Kapazitäten.“

Andere Glückssucher machen es Roberts mittlerweile nach: Im Süden der Insel haben sich die Anbauflächen in den letzten fünf Jahren verdoppelt.

Nur 88 Meilen Fluglinie liegen zwischen den Weinbauern in der Champagne und Roberts in Sussex, wo man den Franzosen allmählich den Weltklasse-Ruf abläuft. Noch importieren die Briten fünf Millionen Flaschen Champagner im Jahr, doch angesichts der Qualität heimischer Produkte werden es weniger.

Selbst die Queen hat sich offenbar mit der Trauben-Euphorie angesteckt: In den Gärten von Schloss Windsor soll demnächst erstmals auch mit Rebstöcken experimentiert werden.

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