Eine Siegerin über das Schicksal

Martina Willing ist blind, querschnittsgelähmt – und die weltbeste behinderte Speerwerferin. Von einer, die nie aufgibt.

Düsseldorf. Menschen wie Martina Willing verfügen über eine Kraft, die sich schwer beschreiben lässt. Aber diese Kraft ist pure Lebensenergie. Menschen wie Martina Willing sind Athleten, von denen der große deutsche Olympier Willi Daume gesagt hätte, dass sie das Feuer aus dem Stein schlagen können.

Martina Willing hat bei den Paralympics in Peking Gold im Speerwerfen gewonnen. Es ist die insgesamt zehnte Medaille einer Frau, die schon früh in den verschiedensten Sportarten mit Top-Leistungen auf sich aufmerksam machte.

Doch im Winter 1994, bei den Paralympics in Lillehammer, schienen all’ ihre Träume zu platzen. Nach dem Silber mit der Staffel im Ski-Langlauf stürzte die von Geburt an sehbehinderte Sportlerin im Einzelrennen schwer - Querschnittslähmung.

Heute will die 48-Jährige nicht mehr über den Unfall reden. "Eine Veränderung ist nur eine Veränderung und nicht das Ende", sagt sie nur. Martina Willing ist eine fröhliche Frau, sie lacht gern. Und sie hat Arme, denen man ansieht, dass sie schon ziemlich viel geworfen haben. Sie hat schon als Kind die Bewegung geliebt.

Sie schwamm, ehe sie den Leichtathletik-Trainern in Brandenburg auffiel. Sie lernte das Werfen und den Anlauf in Einklang zu bringen, was wegen ihrer Augenkrankheit nicht leicht war. Aber ihre Begabung fürs Werfen war so groß, dass Bundestrainer Ralf Otto sagte: "Wenn Martina Willing nicht behindert wäre, wäre sie Olympiasiegerin."

Auch nach dem Unfall dachte sie bald an den Sport. Im April 1995 nahm sie wieder einen Speer in die Hand, und gleich spürte sie die alte Verbundenheit mit dem Gerät. Sie erinnerte sich, wie sie immer ausgeholt und den Speer mit einer Kraft aufgeladen hatte, die ihm Flügel zu verleihen schien.

Aber der erste Wurf war ein Desaster. Kraftlos landete der Speer im Gras. Elf Meter. Früher hatte sie mehr als 40 Meter geworfen.

Sie hat alles neu lernen müssen, obwohl sie alles wusste vom Speerwerfen. Sie musste alles löschen, was wie von selbst funktioniert hatte. In Peking flog der Speer auf 23,99 Meter zum Gold. Zuvor hatte die 48-Jährige bei ihrer fünften Paralympics-Teilnahme schon Silber im Kugelstoßen gewonnen.

Manchmal bekommt die Potsdamerin mit, wie Kinder fragen, was denn die Frau im Rollstuhl habe, und wie die Eltern ihnen darauf einigermaßen dumme Antworten geben.

Dann erklärt sie es den Kindern selbst: "Ich hatte einmal einen Unfall, da habe ich mich ganz doll verletzt. Seitdem kann ich nicht mehr laufen, aber ansonsten kann ich alles machen."

"Dann ist ja gut", sagen die Kinder und laufen weiter. Das gefällt Martina Willing. Und wenn es selbst ihr einmal schlecht geht, erinnert sie sich an einen Pfarrer, der einmal eine Predigt über sie gehalten hat. Über ihren unbändigen Lebenswillen, über ihre unglaubliche Energie. "Wenn es mir schlecht geht, lese ich diese Predigt. Dann kenne ich wieder meinen Weg."

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