Eine neue Protest-Generation

Seit Jahren war der Andrang bei Anti-Castor-Demos nicht mehr so groß. Bei den Akw-Gegnern herrscht Euphorie.

Gorleben/Berlin. Die Anti-Atomkraft-Bewegung fühlt sich wieder stark. Und in der Protestszene verbreitet sich eine ähnliche Aufbruchstimmung, wie sie die USA nach der Wahl von Barack Obama erfasst hat. Sein Motto "Yes, we can" steht auf Plakaten, mit denen Kernkraftgegner in Gorleben für den Atomausstieg protestieren. Nachdem der Zulauf zu den Demonstrationen gegen den Transport so groß war wie seit Jahren nicht, ist bei den Kernkraftgegnern überall eine neue Euphorie zu spüren.

Diesmal sind es nicht nur die Mittfünfziger, die schon in den 1980er Jahren bei Demonstrationen gegen das Kernkraftwerk Brokdorf in Schleswig-Holstein dabei waren, die sich nun auch in Gorleben wieder in Schlafsäcke gehüllt haben und von der Polizei wegtragen lassen.

Zu den mehr als 15 000 Demonstranten gehört auch die Generation der Kinder und Enkel, junge Leute aus ganz Deutschland, die für den Atom-ausstieg kämpfen, weil sie diese Technologie für zu gefährlich halten.

Gekämpft wird für zwei Anliegen: Zum einen geht es darum, wie lange es noch Atomkraftwerke in Deutschland geben darf. Die Stromversorger haben den unter Rot-Grün beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie infrage gestellt, sie wollen längere Restlaufzeiten für die Kraftwerke durchsetzen.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) gibt den Energiekonzernen denn auch die Hauptschuld am neuen Erstarken der Anti-Atom-Bewegung. Dass die Demonstrationen nach vielen Jahren der Ruhe wieder so massiv seien, sei in erster Linie von der Energiewirtschaft zu verantworten, sagt Gabriel.

Zum zweiten ist seit Jahrzehnten die Frage ungeklärt, wo der hoch radioaktive Müll dauerhaft sicher gelagert werden kann. Bisher gibt es nur Zwischenlager, lediglich für den schwach- und mittelradioaktiven Müll auch Endlager. Der Salzstock Gorleben wurde bisher als einziger Standort für ein Endlager für den hoch radioaktiven Müll erkundet - ob der Abfall dort aber tatsächlich auf Jahrtausende hinaus sicher lagert, ist umstritten.

1979 begannen die Energiekonzerne in der schwach besiedelten Gegend an der Elbe, ein riesiges unterirdisches Bergwerk zu buddeln, sie investierten mehrere hundert Millionen Euro. Nach dem rot-grünen Beschluss zum Atomausstieg wurde die Erkundung im Jahr 2000 unterbrochen. Seitdem gibt es zwar die politische Ansage, dass auch andere Standorte erkundet werden sollen, konkrete Orte hat die Politik aber bisher nicht benannt.

Angeheizt wurden die Sicherheits-Befürchtungen durch den Skandal um das Forschungslager Asse, wo schwach- und mittelradioaktiver Müll gelagert wird. Bei diesem Lager handelt es sich um einen Salzstock wie in Gorleben. Nun säuft die Deponie schon nach wenigen Jahren durch Wasserzuflüsse ab, ob und wie sie gesichert werden kann, ist unklar.

Bei den Menschen im niedersächsischen Wendland bleibt die Sorge, dass Gorleben nach wie vor erste Wahl ist bei der Suche nach einem Endlager - nicht zuletzt deshalb, weil die Energieversorger dort schon hunderte Millionen investiert haben. Umweltminister Gabriel versichert zwar, sollte sich zeigen, dass ein anderer Standort besser geeignet sei, werde dieser genommen. Eine "totale Ablehnung" Gorlebens sei aber auch "irrational".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde vor kurzem deutlicher. Sie sprach sich erstmals offen für Gorleben als Endlager aus: "Ich habe keine Lust, weitere Milliarden auszugeben."

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