Zirkus vs. Tierschützer Eine Frage der Haltung - Wildtiere in der Manege

Menschen, Tiere, Sensationen - was früher einfach nur als Vergnügen für die Familie galt, ist heute immer häufiger Gegenstand von Kritik. Gehören Wildtiere in den Zirkus, und kann es ihnen dort gut gehen?

Ein Flusspferd im Circus Voyage in seinem Gehege.

Ein Flusspferd im Circus Voyage in seinem Gehege.

Foto: Sven Hoppe

München. Tieridylle in Trudering: In der Nachmittagssonne räkeln sich Tiger, das Flusspferd planscht, die Elefanten begrüßen neugierig die Besucher in dem Münchener Stadtteil. Der Zirkus mit seinen Wildtieren ist da. Mittlerweile ist das bei beinahe jedem Gastspiel ein Ärgernis für Tierrechtler und -schützer.

Zirkusdirketor Alois Spindler im Circus Voyage neben einem Flusspferd.

Zirkusdirketor Alois Spindler im Circus Voyage neben einem Flusspferd.

Foto: Sven Hoppe

„Fragwürdige Kunststücke“, ein zu geringes Platzangebot, keine Rücksichtnahme auf das Sozialverhalten - diese Vorwürfe erhebt unter anderem der Deutsche Tierschutzbund. Regelmäßige Kontrollen durch Amtstierärzte reichten nicht aus, findet Sprecherin Lea Schmitz. Auch gesetzliche Vorgaben seien unzureichend. „Zirkustiere sind Tiere zweiter Klasse trotz Kontrollen.“

„Alles beruht auf natürlichen Bewegungen und Verhalten des Tieres“, hält Max Siemoneit-Barum dagegen, Tierschutzbeauftragter des Circus Krone aus München. Die Tierschützer seien vielleicht vor 20 Jahren zuletzt im Zirkus gewesen. „Dabei hat sich so viel geändert.“ Krone etwa habe in große Freigehege investiert. Alle Stallungen seien doppelt vorhanden, sodass Tiere nach der Vorstellung bei einem Ortswechsel eingeladen und weitergefahren werden und sofort in den Stall einziehen können. Den Vorwurf mancher Organisationen, die Tiere in Zirkussen würden misshandelt und zu Darbietungen gezwungen, kontert Siemoneit-Barum: „Man kann nicht mit einem Tier zusammenleben und -arbeiten, das Angst hat. Das Training beruht auf gegenseitigem Vertrauen, Respekt, Geduld und Liebe.“

Tiere seien für ihn Familienmitglieder. Fotos der Tierrechtler seien oft von außen durch Absperrgitter aufgenommen, um den Eindruck zu erzeugen, die Tiere litten hinter Gittern. Filme mit geschlagenen Tieren würden ohne Angabe von Ort und Zeit zusammengeschnitten. „Es schmerzt auch irgendwo, dass die Leute so leichtgläubig sind.“ Die Kritiker wollten sich die Verhältnisse vor Ort nicht ansehen, „sonst würde ihr Lügenkartenhaus zusammenbrechen“, sagt Siemoneit-Barum.

Man müsse sich die Zirkusse aber auch nicht ansehen, findet Jörg Styrie, Geschäftsführer des Bundesverbandes Tierschutz. „Ich bin seit vielen Jahren nicht mehr in einem Zirkus mit Wildtierhaltung gewesen.“ Es sei ein „systemimmanentes Problem“, Wildtiere im Zirkus zu halten. „Ich kann nicht erkennen, was sich grundsätzlich verändert hat, was mich überzeugen soll.“ Liebe und Respekt für die Tiere - das treffe in Zirkussen nicht zu. Elefanten etwa bekomme man „nur mit massiven Strafmaßnahmen“ zur Dressur.

Inzwischen gibt es einige europäische Länder wie Österreich, die Wildtiere in Zirkussen verbieten. In Deutschland gab es dafür im März erneut eine Bundesratsinitiative, zu der aber bislang keine Stellungnahme der Bundesregierung eingegangen ist. Dafür stellen einzelne Städte und Gemeinden ihre öffentlichen Flächen nicht mehr für Zirkusse zur Verfügung. „Wir müssen uns auch einklagen“, sagt Siemoneit-Barum. „Das trifft uns schon“, sagt auch Sascha Grodotzki, Sprecher des Circus Voyage, der gerade in München-Trudering gastiert.

„Den Mut können sie uns nicht nehmen“, betont Voyage-Direktor Alois Spindler. Überhaupt - wie könne man den Zirkus verdammen und gleichzeitig Fleisch essen oder Schuhe aus Leder tragen? Hundebesitzer führten ihr Tier an der Leine, Spindlers Elefanten aber liefen frei in ihrem Bereich. Auch beim aktuellen Gastspiel gab es Vorwürfe von Tierrechtlern. So habe etwa eine Giraffe einen vernarbten Hals. „Das verfolgt uns seit zwölf Jahren“, stöhnt Grodotzki. Der Zirkus betreibe aber vielmehr Artenschutz, behauptet er, er bringe den Menschen die Tiere nahe.

Sowohl Krone als auch Voyage berichten von Drohungen und Gewalt gegen Mitarbeiter und Gegenstände. „Wir zünden eure Kinder an“, habe es in einer Drohzuschrift an Spindler geheißen, sagt Voyage-Sprecher Grodotzki. Bei Krone seien Plakate zerstört, Bremsschläuche durchschnitten und LKWs beschmiert, Besucher beleidigt worden, erzählt Siemoneit-Barum. „Mir wurde sogar schon der Tod gewünscht.“ Diese Art von Protest lehne man ab, betont Schmitz, die Referentin vom Tierschutzbund.

Laut European Circus Association erfüllen ohnehin alle Mitglieder die geltenden Vorschriften, „in vielen Fällen gehen sie sogar weit darüber hinaus“. Ein pauschales Verbot bestimmter Tierarten sei unverhältnismäßig. Und: „Die Nachfrage nach Zirkus mit (Wild-)Tieren ist nach wie vor groß.“

Der Leiter der Abteilung für Zootier-, Wildtier- und Exotenmedizin der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, Arne Lawrenz, ist der Ansicht, es sei unwichtig, wer Wild- oder Haustiere hält. Entscheidend sei, „wie er sie hält und versorgt (auch veterinärmedizinisch) und was für ein Wissen er hat, dieses zu tun“. Qualität sei wichtig: „Aus diesem Grund finde ich die generelle Ablehnung nicht zielführend, da es uns immer um die Qualität der Haltung gehen sollte.“

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