Ein Traum aus Luft und Schoko

In der Schau(m)manufaktur werden Schaumküsse per Hand hergestellt. Wer will, kann dort sein „Küsschen-Diplom“ erwerben.

Grabow. Kringel um Kringel quillt die weiße Masse aus dem Spritzbeutel. Nun entscheidet allein das Fingerspitzengefühl: Luftiger Kuss oder doch eher trauriges Häufchen? Laura Weist macht’s vor. Prompt bringt die Dozentin den perfekten Kloß aufs Tablett, schüttet behutsam flüssige Schokolade darüber und präsentiert stolz einen Schaumkuss, wie er appetitlicher kaum aussehen könnte.

„Wer zu fest auf den Beutel drückt, bekommt Sauerei“, warnt die 23 Jahre alte Expertin. Seit zwei Jahren gibt es in Grabow die „Schau(m)manufaktur“, seither dürfen Wagemutige dort das bundesweit beliebte Naschwerk aus Mecklenburg-Vorpommern selbst herstellen. Und wer es richtig macht, der erhält am Ende das „Küsschen-Diplom“.

„Im Handel sind die echten Schaumküsse an einem kleinen Schoko-Zipfel zu erkennen“, schildert Laura Weist mit Blick auf das geschützte Markenzeichen. Dieses kleine Schokostück stammt aus jenen Zeiten, als die Masse aus reichlich Zucker, viel Eischnee mit einer Prise Salz und Gelatine in die Schokolade getaucht wird und kein warmer Guss von oben kommt. So geschieht es 1954, als die heutige „Grabower Süßwaren GmbH“ ein „volkseigener Betrieb“ ist und in der DDR „Dauerbackwaren“ produziert.

1835 ist es allerdings die Bäckerfamilie Bollhagen, die in Grabow nichts Herzhaftes mehr backen will, sondern den Kunden fortan lieber Pfeffernüsse, Biskuitgebäck, Schokoherzen und vor allem Waffeln serviert. Als schließlich der Baiser — und das bedeutet „Kuss“ — aus Frankreich nach Deutschland kommt, ist der erste Schaumkuss nicht mehr fern.

„Heute stellen wir an einem Tag rund 6,5 Millionen Exemplare davon her“, berichtet derweil Jutta Bückendorf, Marketingmitarbeiterin von „Continental Bakeries“ mit Sitz im westfälischen Gronau. Seit 2010 gehört das Unternehmen zu diesem niederländischen Großkonzern. „In den neuen Bundesländern sind die Grabower Schaumküsse Marktführer“, sagt Bückendorf.

Wer in Deutschland aber den ersten Schaum- oder Schokokuss überhaupt produziert hat, darüber herrscht Uneinigkeit unter den Konkurrenten. In 54 Ländern der Welt lassen sich zudem Süßigkeiten-Freunde den Schaumkuss aus Grabow schmecken, neuerdings auch in Großbritannien: Dort ist die Bodenwaffel indes ein Keks und der Schaum darüber so steif wie ein Marshmallow.

In der „Schau(m)manufaktur“ schwelgen die Schüler von Laura Weist längst in Erinnerungen aus Kindertagen. „Die schmecken wie früher“, schwärmt Regina Krumm (55) aus Ludwigslust, die mit 13 Kollegen einen Betriebsausflug nach Grabow unternommen hat und jetzt den ersten Schaumkuss aus dem Beutel presst.

Laura Weist, die täglich zwei bis drei Gruppen in die Geheimnisse der Schaumkuss-Produktion einweiht, betont gern, dass jenes Naschwerk kaum Kalorien habe, zumal immer eine gehörige Portion gute Mecklenburger Luft darin verarbeitet werde. 82 Kilokalorien sind es nach Herstellerangaben bei einem Gewicht von 28 Gramm pro Stück. „Fest steht: Den ersten eigenen Schaumkuss vergisst keiner.“

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