Ein Teller Augäpfel: Deutschland entdeckt Zurbarán

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Ein Teller Augäpfel: Deutschland entdeckt Zurbarán
Foto: dpa

Düsseldorf (dpa) - Muss man katholisch sein, um die große Übersichtsausstellung zum Werk des spanischen Malers Francisco de Zurbarán in Düsseldorf genießen zu können? Auf den ersten Blick könnte man es meinen angesichts so vieler Märtyrer und unbefleckt empfangender Gottesmütter.

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Die Heilige Lucia reicht gar eine mit Blut gefüllte Schale dar, in der zwei Augäpfel schwimmen: Selbige wurden ihr der Legende nach von ihren Peinigern entrissen. Sie scheinen aber immer noch zu leben und blicken den Betrachter unvermittelt an.

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„Zurbarán - Meister der Details“ heißt die monumentale Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast, die 71 Gemälde des Meisters vereint. In Spanien wird Zurbarán (1598-1664) in einem Atemzug mit seinem Freund Diego Velazquez genannt, doch in Deutschland ist er kaum bekannt. Das hat damit zu tun, dass sich in sämtlichen deutschen Museen nur fünf Bilder von ihm finden.

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Dazu kommt seine tiefe Religiosität, die der spanischen Mystik entspringt und in Deutschland nicht erst heutzutage als fremd empfunden wird. Es ist interessant, sein Werk mit dem des ebenfalls katholischen Zeitgenossen Peter Paul Rubens zu vergleichen. Die Unterschiede könnten größer nicht sein: Rubens schwelgt in wogenden Leibern, sein Jesus ist noch am Kreuz ein vitaler Bodybuilder.

Wie anders dagegen Zurbarán: Bei ihm gibt es keine Show, sondern nur Verinnerlichung und Meditation. Oft zeigt er nicht mehr als eine einzige Person vor schwarzem Hintergrund. Die Komposition ist streng, mitunter fast spröde. „Aber innerhalb dieses engen Spektrums lotet er wirklich alles aus“, schwärmt Generaldirektor Beat Wismer. „Was in diesen schwarzen Gründen drin ist, was da an Malerei passiert, das ist unglaublich.“

Zurbaráns „Jesus am Kreuz“ ist fast ein 3D-Bild, der asketische Körper scheint aus dem Bild herauszuragen, so raffiniert ist das Schattenspiel. „Von diesem Gemälde geht eine unermessliche Stille aus“, schreibt der niederländische Autor und Spanien-Kenner Cees Nooteboom. „Hier ist das Heilige tatsächlich echt geworden.“ Bei einem Mönch meint man, den schweren Kuttenstoff zwischen zwei Fingern fühlen oder eine ganze Hand in den Falten seines Gewands versenken zu können.

Das vielleicht schönste Bild zeigt die Jünger in Emmaus zusammen mit dem auferstandenen Jesus, den sie aber erst erkennen, als er das Brot bricht. Diese Szene ist immer eine große Herausforderung für die Maler gewesen, weil man ja schwer verstehen und noch schwerer darstellen kann, warum den Jüngern zunächst nicht klar ist, wen sie da vor sich haben.

Zurbarán zeigt einen Jesus, dessen Gesicht von einem breitkrempigen Hut verschattet wird. Nur der Tisch, an dem er mit den Jüngern sitzt, ist beleuchtet: ein kleines Stillleben mit Krug und Brotscheiben. Und da erklärt es sich von selbst: Erst die beleuchtete Geste des Brotbrechens ist es, bei der den Jüngern ein Licht aufgeht.

Es kommt heute kaum noch vor, dass ein alter Meister wirklich wiederentdeckt wird. Meist ist es dann doch nur Zweitklassiges, was aus den Depots zum Vorschein kommt. In Düsseldorf aber ist kein Zweifel möglich: Dies ist eine Entdeckung.

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