Ein Sterne-Koch ohne Stern

Manfred Kobinger schloss freiwillig sein Feinschmecker-Restaurant. Nun ist er Chef in der „Rohrmeisterei“ in Schwerte.

Schwerte. Warm ist es in der Küche, vor allem am Herd. Mit sicherer Hand zerlegt Manfred Kobinger einen Fisch, paniert ihn, zerhackt Paprika und wendet Auberginenscheiben in einer Pfanne: In nur einer Viertelstunde zaubert der ehemalige Sterne-Koch in Chili gebratenen Seeteufel mit gegrillten Auberginen und roten Linguini-Nudeln in Hummersoße.

Vor sieben Jahren schloss der 57-Jährige sein eigenes Restaurant und verlor damit seinen Stern - nun ist er glücklicher Küchenchef im Kultur- und Veranstaltungszentrum Rohrmeisterei in Schwerte (Ennepe-Ruhr-Kreis).

Seine Ausbildung machte Kobinger am Hauptbahnhof in Karlsruhe. Nach mehreren Stationen machte er sich 1987 gemeinsam mit seiner Frau selbstständig. Die beiden eröffneten ein Restaurant in einem Renaissance-Schloss bei Holzminden. Seine Ehefrau, gelernte Hotelfachfrau, kümmerte sich um den Service, Kobinger führte die Küche. Schnell machte er sich einen Namen: Schon 1989 bekam der Koch einen der begehrten Sterne des Restaurant-Führers "Guide Michelin". Doch Familie und Beruf kamen sich in die Quere: Seine Frau stand um fünf Uhr auf, er dagegen fuhr täglich um acht einkaufen. "Vor zwei Uhr nachts ist man da selten im Bett."

Zwei Kinder und etliche Kindermädchen später beschlossen die Kobingers, Konsequenzen zu ziehen. "Die Selbstständigkeit ließ sich einfach nicht mit einem Familienleben vereinbaren. Es war schmerzlich für mich, denn wenn man so viel erreicht hat, gibt man das nicht einfach auf", erzählt er. Trotzdem schloss er 15 Jahre nach der Eröffnung sein Restaurant. Dass er damit auch seinen Michelin-Stern verlor, stört Kobinger nur ein kleines bisschen. "Der Stern hat mein Ego schon befriedigt", sagt er. "Ich wollte schon immer einfach nur gut sein. Und ehrlich gesagt: nach zwölf Jahren mit Stern wird es langsam zur Gewohnheit."

Doch für den verlorenen Stern bekam er auch etwas: ein Familienleben und geregeltere Arbeitszeiten, meistens von 14 bis 23 Uhr. Manchmal ist er auch schon um acht Uhr da. Normalerweise macht er zu Hause den Haushalt und kocht für seine Söhne, bevor seine Frau nach Hause kommt.

"Um halb zwei ist dann Haushaltsübergabe", sagt er. Was er besonders toll findet: "Wenn ich abends ins Auto steige, bin ich wieder Kobinger, einfach nur Kobinger und nicht mehr Küchenchef der Rohrmeisterei. Man hat einen Feierabend, den hatte ich früher nie".

An der Rohrmeisterei, die von der "Bürgerstiftung Rohrmeisterei" getragen wird, reizt ihn nicht nur die Vielschichtigkeit: "Ein Buffet für 100 Leute in Halle II und parallel das à-la-carte-Menü im Restaurant". Gleichzeitig muss die Gastronomie als Standbein den Umsatz erwirtschaften, um das "Spielbein" Kultur zu finanzieren. Bei den Gästen beliebt ist zum Beispiel Kobingers Bratwurstpfanne mit Paprika, Champignons und Bratkartoffeln.

Nun hat der Koch es wieder in die Restaurantführer geschafft: Aral-Schlemmeratlas, Bertelsmann-Führer, Feinschmecker-Guide und der Guide Michelin kommen um die Rohrmeisterei nicht herum. Geht es doch wieder Richtung Stern? "Mal sehen", sagt er nüchtern. Gelassen fügt er hinzu: Ich nehme, was kommt."

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