Ein Labor kämpft gegen das Aussterben von Pflanzen

Im Pflanzenschutzlabor der Landwirtschaftskammer NRW werden jährlich rund 8000 Proben unter die Lupe genommen. Ein Besuch.

Ein Labor kämpft gegen das Aussterben von Pflanzen
Foto: G. Kowalczik

Köln. Es ist wuselig an diesem Tag im Pflanzenschutzlabor der Landwirtschaftskammer im beschaulichen Auweiler. Das Telefon klingelt, Mitarbeiter eilen von einem Raum in den nächsten, rufen sich über den Flur etwas zu. Es gibt viel zu tun. Wie eigentlich an jedem Tag, denn das Team des Labors hat vielfältige Aufgaben.

Ein Labor kämpft gegen das Aussterben von Pflanzen
Foto: Landwirtschaftskammer

Vor einem Jahr ist das Labor mitsamt seinen 17 Mitarbeitern von Bonn nach Köln umgezogen, die Einrichtung als solche gibt es aber schon seit mehr als hundert Jahren: Die sogenannte Organisation für die Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten war die Vorläuferin des heutigen Pflanzenschutzdienstes, sie wurde 1905 auf Grundlage einer Verfügung des preußischen Landwirtschaftsministers gegründet. Mittlerweile ist Pflanzenschutz Ländersache, in jedem Bundesland gibt es ein Labor wie das in Auweiler.

Ein Labor kämpft gegen das Aussterben von Pflanzen
Foto: G. Kowalczik

Morgens um 6 Uhr beginnt hier die Arbeit. Kuriere liefern Pflanzenproben, weitere Proben kommen mit der Post oder werden persönlich gebracht. In fünf verschiedenen Laborbereichen werden diese dann untersucht — zum Beispiel auf Pilze, Bakterien oder Schädlinge. Als zertifizierte Prüfstelle führt der Pflanzenschutzdienst aber auch Mittelprüfungen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln durch.

Das weitläufige und moderne Labor erinnert ein wenig an den naturwissenschaftlichen Trakt einer Schule. Es gibt Arbeitstische mit Mikroskopen und anderen modernen Geräten. Und jede Menge Petri-Schalen, in den unterschiedlichsten Größen. „Ja, die nutzen wir hier natürlich regelmäßig“, sagt Monika Heupel, die beim Pflanzenschutzdienst für die Diagnose von Krankheiten zuständig ist. Pilze und Bakterien werden oft auf künstlichen Nährmedien angezüchtet und dann bestimmt. Aber außer mit dem Mikroskop arbeiten die Experten, mit molekularbiologischen und genetischen Methoden. „Wir nutzen ganz klassische Bestimmungsmethoden, aber auch sehr moderne Technik“, erklärt Monika Heupel.

Die ist auch nötig. „Im Zweifel kann es um das Überleben oder Aussterben ganzer Pflanzenarten gehen“, weiß Monika Heupel und verweist beispielsweise auf die Rosskastanie. Da kamen europäische Wissenschaftler zu spät, das Aussterben wird wohl nicht mehr aufzuhalten sein. „Die Generation nach uns wird Rosskastanien wohl noch erleben“, sagt die Expertin. Aber ob die dann nachfolgende Generation die großen, stolzen, Bäume noch kennenlernen wird, das ist derzeit fraglich (siehe Info-Kasten „Das Kastanien-Sterben“).

Es war Monika Heupel, die im Jahr 2006 in Nordrhein-Westfalen den Erreger „Pseudomonas syringae pv. aesculi“ erstmals bei Rosskastanien in NRW entdeckte und nachweisen konnte. In Gelsenkirchen an einer Allee mit 385 Kastanienbäumen starben mehrere Bäume ab. Nach Untersuchungen, Recherchen und dem Austausch mit niederländischen Experten stand fest: Das Bakterium war von Westen her nach Deutschland gekommen, in Großbritannien und den Niederlanden hatte es schon vorher Fälle gegeben. „Seit zwölf Jahren haben wir in NRW nun mit Pseudomonas zu kämpfen“, sagt Monika Heupel. „Die Berichte nehmen mehr und mehr zu, es ist dramatisch.“ Auch an der Gelsenkirchener Allee ist ein Großteil der Kastanien mittlerweile abgestorben. Wo das Bakterium seinen Ursprung hat, ist bis heute unbekannt, ein Zusammenhang mit in Indien an Kastanien auftretenden bakteriellen Blattflecken wird vermutet. Ein Gegenmittel? Fehlanzeige.

Bei vielen anderen Schädlingen oder Krankheitserregern ist hingegen klar, wie sie nach Deutschland und Nordrhein-Westfalen kommen: „Das Problem ist oft der globale Handel.“ Inspektoren des Pflanzenschutzdienstes kontrollieren daher auch an Flughäfen und Einlassstellen. Regelmäßig wird Ware inspiziert und beim Auftreten von unerwünschten Quarantäne-Erregern zurückgewiesen oder vernichtet. „Oft steht Ware, bis unsere Analyse abgeschlossen ist“, sagt Monika Heupel.

Sie könnte viele weitere Beispiele nennen, Mangos mit Schildläusen etwa oder mit Bakterien verunreinigter Kaffee. „Es gibt regelmäßig Funde.“ Was oft nicht gefunden wird, sind Mitbringsel, die Touristen als Andenken aus den Ferien einschleppen und die großen Schaden anrichten können. Unbekannt ist zum Beispiel wie Xylella fastidiosa, das sogenannte Feuerbakterium, nach Italien eingeschleppt wurde. „Dort mussten bereits Tausende Olivenbäume gefällt werden“, weiß Monika Heupel. „Wenn also ein Tourist sich einen Olivenzweig aus Italien mitbringt, kann das ganz schön gefährlich werden.“ Das Feuerbakterium kann immerhin rund 350 Wirtspflanzenarten befallen.

Zum Schutz der heimischen Arten rät die Expertin also dringend davon ab, pflanzliche Andenken aus anderen Ländern mitzubringen. Wer an einer heimischen Pflanze etwas Verdächtiges entdeckt, darf sich an den Pflanzenschutzdienst wenden. Rund 8000 Proben werden in Auweiler jährlich mit etwa 14 000 Einzelprüfungen genau unter die Lupe genommen.

Welche Konsequenzen die Ergebnisse aus dem Labor haben, darüber entscheiden Inspektoren der Landwirtschaftskammer. „Sie geben eine Empfehlung ab, bis hin zur Vernichtung von Pflanzen.“ Betriebsberater unterstützen bei Maßnahmen zum Erhalt der Pflanzenbestände in Garten- und Ackerbau.

www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/pflanzenschutz

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