Ein Abenteurer und „Reste-Rüdi“

Rüdiger Nehberg überquerte den Atlantik per Floß, aß Würmer und wurde zum engagierten Menschenrechtler.

Rausdorf. Es war einmal ein abenteuerlustiger Bäcker, der in die weite Welt hinauszog, gefährliche Mutproben bestand und im ganzen Land berühmt wurde - das Leben von Rüdiger Nehberg liest sich wie ein Märchen. Er war selbstständiger Konditor in Hamburg, als er immer wieder aus der Welt der Torten in die der Torturen floh. "Wenn du so weitermachst, wirst du nicht alt", warnte sein Vater ihn einst. Der Mann hatte Unrecht. Am Dienstag, 4.Mai, wird der Menschenrechtler 75 Jahre.

Seine Alterswehwehchen - Arthrose, Kniebeschwerden, Hörschwäche - nimmt Nehberg mit Humor. So nennt er sich selbst "Reste-Rüdi" und sammelt vieles von dem, was ihm im Laufe des Lebens herausoperiert wurde, in Alkohol.

Mit Radtouren um die halbe Welt begann seine Abenteuerlust. Nehberg radelte als 17-Jähriger nach Marokko - getreu seinem Motto "Lieber kurz und knackig leben als lang und langweilig". Der Survival-Fan (frei übersetzt: Überlebenskunst-Fan) wurde im Laufe der Jahre zu "Sir Vival", gab seine Überlebenkunst-Tricks in Seminaren weiter. Im gerade erschienen Buch "Sir Vival blickt zurück" geht er auch auf sein Image als "Würmerfresser" ein. Und erklärt, wie aus einem Wurm ein "leckeres Stück Fingerfood" wird: "Ich würde den Regenwurm ins Wasser legen, ihm nach wenigen Minuten den Mageninhalt heraus massieren, ihn kochen und würzen."

25 bewaffnete Überfälle hat er überlebt - "die Hälfte mit Glück, die andere mit Survival". Sein "größtes Versagen"? "Dass ich Michael Teichmanns Ermordung am Blauen Nil nicht habe verhindern können." Teichmann, Nehberg und ein weiterer Freund waren bei einer Expedition 1975 überfallen worden.

Seinen Abenteuern wollte er einen Sinn geben. So wurde er zum Aktivist für Menschenrechte. Nehberg setzte sich mit spektakulären Aktionen - bis hin zur Atlantiküberquerung auf einem Floß oder dem Abseilen ohne jegliche Ausrüstung im Urwald - für die Yanomami-Indianer im brasilianischen Regenwald ein. "Mit dem Erfolg wurde mir klar: Alles ist möglich, man braucht nur die richtige Strategie, gute Partner und Geduld", sagt Nehberg, der trotz allem eins am meisten bedauert: "Ich bin zufrieden mit meinem Leben, aber ich hätte mehr daraus machen können."

Oft wurde Nehberg kritisiert. Warum er sich etwa in fremde Kulturen einmische und sich nicht um die Probleme vor der eigenen Haustür kümmere? Es gebe Gräuel, die nur mit einem "weltweiten Aufschrei" beendet werden könnten, sagt Nehberg. Dazu gehöre das Drama um die Verstümmelung weiblicher Genitalien in einigen Ländern. "Weibliche Genitalverstümmelung ist ein strafbares Verbrechen. Es verstößt gegen höchste Werte des Islam."

In "Goldenen Büchern" will Nehberg mit Hilfe vieler Mitstreiter die Ergebnisse seines Kampfes gegen Genitalverstümmelung verbreiten. "Eine Verkündung in Mekka und eine Karawane des Dankes vom Atlantik bis ans Rote Meer, so ein richtiger Sandsturm - das wäre ein bombastischer Abschluss." Auch Ehefrau Annette (50) unterstützt seine Pläne. "Wir sind ein unzerstörbares Duo", schwärmt Nehberg. Er weiß, dass sie seinen Kampf auch nach seinem Tod fortsetzen wird.

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