Ehrenamt an Weihnachten: „Niemand sollte an Heiligabend allein sein“

Peter Franz Siegfanz hilft heute zum 15. Mal beim Weihnachtsfest für Alleinstehende.

Wuppertal. Den Anstecker mit seinem Namen hat er schon rausgelegt. Peter Franz Siegfanz wird ihn heute Abend tragen, damit die Gäste in der Stadthalle ihn persönlich ansprechen können, wenn sie Weihnachten feiern. Der 66-Jährige selbst feiert auch, und zwar ein kleines Jubiläum: Am Weihnachtsabend hilft er bereits zum 15. Mal ehrenamtlich bei der Feier für Alleinstehende und Obdachlose in der Historischen Stadthalle in Wuppertal.

„Vor 15 Jahren hat mich meine Frau verlassen“, erzählt der Wuppertaler. Die Zeit zwischen dem Besuch der Kinder am Nachmittag und der Christmette in der Polnischen Gemeinde um Mitternacht wollte er sinnvoll überbrücken und half damals zum ersten Mal bei der Feier von Caritas, Diakonie und Christlicher Verein Junger Menschen. Weil es ihm so viel Freude bereitete, ist er dabeigeblieben.

„Wenn es diese Feier nicht gäbe, wären Hunderte Menschen allein“, sagt Siegfanz. Gerade an diesem Tag aber sollte sich niemand einsam fühlen, findet er. Für den gebürtigen Polen ist der Heiligabend der wichtigste Tag im Jahr. „Bei uns in Polen wird immer ein Platz mehr am Tisch gedeckt, für einen fremden Gast“, sagt Siegfanz. In dieser Tradition — Fremden zu helfen — sieht er sein Engagement.

Und auch als Siegfanz selbst 1977 von Polen nach Deutschland kam, haben ihm „Wildfremde“ geholfen. Das müsse man zurückgeben. „Als Josef und Maria nach Bethlehem kamen, waren sie auch allein, für mich sind die Menschen in der Stadthalle alle Maria und Josef“, sagt der gläubige Christ. Schließlich suche sich niemand seinen Zustand oder seine Familie aus.

Die erste Weihnachtsfeier in der Stadthalle hat den Wuppertaler sehr berührt. „Es ist auch immer noch traurig, wenn Familien mit Kindern kommen. Zu den Kleinen versuche ich noch zuvorkommender zu sein.“

Das Einsatzgebiet des Polen ist die Küche. Siegfanz nimmt dort jedes Jahr Vorräte entgegen. „Wir sehen uns zwar alle nur ein Mal im Jahr, aber wir sind ein tolles Team, alles Idealisten.“ Wenn er in der Küche nicht mehr gebraucht wird, geht Siegfanz in den Saal, bedient Leute, sammelt Müll ein — und redet mit den Besuchern.

„Als Eisbrecher frage ich, ob sie noch etwas brauchen, und dann erzählen manche Menschen einem ihr halbes Leben“, sagt er. Dabei helfen dem Wuppertaler, der 35 Jahre bei einer Versicherung gearbeitet hat und zurzeit an der Bergischen Uni Geschichte und Politik studiert, seine Sprachkenntnisse. „Zu dem Fest kommen nämlich viele Russen und Ukrainer.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm eine Russin, die ihm ihr Schicksal erzählte, die ihre ganze Familie verloren hat und sich einfach für das Zuhören bedankte. „Da hatte ich Tränen in den Augen“, erinnert sich Siegfanz. Nach 15 Jahren kennen er und einige Besucher sich, manche setzen sich extra an die Tische, an denen er bedient.

„Menschen, die das ganze Jahr am Rand der Gesellschaft stehen, werden einen Abend als Menschen behandelt. Es ist toll, dabei zu helfen“, sagt Siegfanz. Er hat viele Einladungen von Freunden, aber der Heiligabend ist für die Menschen reserviert, die ihn wirklich brauchen. „Alles andere wäre egoistisch. Nächstenliebe ist nicht nur reden, sondern handeln.“ Von seinen drei erwachsenen Kindern wird Siegfanz dabei unterstützt. „Die sagen: Daddy, das ist toll!“ Die Familie trifft sich dann gemeinsam am zweiten Weihnachtstag, am ersten ist Siegfanz bei Freunden.

Wie sein heutiger Abend aussehen wird, ahnt Siegfanz schon. Nach der Christmette fällt er meist einfach nur ins Bett, weil er so müde vom Hin- und Herlaufen ist. „Aber ich weiß, ich habe etwas Gutes getan.“

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