E-Mail für Mister President

Internet: Mit der Webseite des Weißen Hauses will Obama den Amerikanern das Gefühl geben, interaktiv mitregieren zu können.

Washington. In der Sekunde, in der Barack Obama als US-Präsident den Amtseid ablegte, musste sein Vorgänger George W. Bush auch aus der virtuellen Version des Weißen Hauses ausziehen. Noch während der Antrittsrede wurde die offizielle Webseite des Präsidenten komplett erneuert: "Change has come to WhiteHouse.gov", der Wandel hat das Internet erreicht, wurde auf der Startseite verkündet.

Ein neues elegantes Design in Blau und Weiß, viele Bilder und Videos von Obama und vor allem Möglichkeiten für die Nutzer, selbst aktiv zu werden: Die Homepage soll die Regierung "mit dem Rest der Nation und der Welt verbinden", sagte Macon Phillips, Obamas Experte für die Neuen Medien.

Das ist ein hoher Anspruch - aber auch kaum ein Politiker hatte es bisher so gut verstanden, das Internet für seine Zwecke zu nutzen. Schon im Wahlkampf setzte Obamas Team konsequent auf Botschaften auf der Video-Plattform YouTube, trat mit Unterstützern über Netzwerk-Seiten wie Facebook oder den Kurznachrichtendienst Twitter in Kontakt - und sammelte auf Obamas Internetseite Spenden in Millionenhöhe.

Auch die Amtseinführung verfolgten offenbar besonders viele online - nach einem Bericht der "New York Times" gab es zu diesem Zeitpunkt die bisher höchste Netzauslastung in der Geschichte.

Die neue Internet-Seite WhiteHouse.gov soll nun ein Beispiel für moderne politische Kommunikation werden. Neben den üblichen Informationen über Regierungsmitglieder und -ziele gibt es erstmals einen Blog (eine Art Internet-Tagebuch), in dem sich der Präsident und sein Team regelmäßig zu Wort melden sollen. Jeder Gesetzentwurf, dessen Verabschiedung nicht eilt, soll fünf Tage lang auf der Seite zu sehen sein - alle Wähler könnten ihn dann prüfen und ihre Kommentare abgeben, hieß es.

Erst danach werde Obama das Gesetz unterzeichnen - oder sein Veto einlegen. Dass diese Kommentare den Präsidenten großartig beeinflussen werden, ist fraglich. Aber es ist ein wichtiger Bestandteil von Obamas Medienstrategie, den Bürgern das Gefühl zu geben, ein bisschen mitregieren zu dürfen.

Im sogenannten "Briefing Room" können die Nutzer außerdem eigene politische Vorschläge einreichen und darüber diskutieren. Die besten sollen es auch auf Obamas Schreibtisch schaffen.

Schwierig wird es allerdings, die zu erwartende Masse an Kommentaren zu überblicken - und daraus auch einen Nutzen zu ziehen. Kritiker bemängeln schon, dass die Kommentar-Funktion beim Blog bislang noch ausgestellt ist: So weit ist es mit der Interaktivität also doch noch nicht her.

Experten gehen aber davon aus, dass Obama aus seinen Internet-Kontakten einen großen Nutzen ziehen kann - aus dem Wahlkampf hat er bereits die E-Mail-Adressen von Millionen Unterstützern. Der Präsident könnte seine Wähler beispielsweise direkt per Mail bitten, in seinem Sinne Druck auf abtrünnige Abgeordnete auszuüben.

"Es wird eine Kommunikation zwischen dem Weißen Haus und den Wählern geben, die am Parlament vorbeigeht", sagt der Medienwissenschaftler Vinzenz Hediger.

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