Draußen ist überall: Outdoor-Mode erobert den Alltag

Friedrichshafen (dpa/tmn) - Die Outdoor-Branche verzeichnet wachsende Umsätze mit Funktionskleidung für den Alltag. Die Kunden sind anspruchsvoll: Sie wollen Qualität und schickes Design. Denn der Drang nach draußen ist heute ein Lebensgefühl, nicht nur für Hobbysportler.

Mit dem langhaarigen Abenteurer, der mit einem Rucksack durch Asien reist, verbindet den Begriff Outdoor heute kaum noch jemand. Schon eher mit dem Wanderer, der in den Alpen eine Woche von Hütte zu Hütte zieht. Hochwertige Funktionskleidung ist aber längst in Fußgängerzonen und Büros angekommen. „Die Umsätze im Bereich Urban Outdoor nehmen seit Jahren extrem zu“, sagte der Marketing-Chef Carsten Schürg von Sportscheck auf der Fachmesse Outdoor (14 bis 17. Juli) in Friedrichshafen. Die Kleidung für die Natur ist Mode für die Stadt geworden.

„Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Funktionelle Kleidung kann man auch im Alltag gut anziehen“, erklärt Outdoor-Trendexperte Ralf-Stefan Beppler. Auf dem Fahrrad zur Arbeit schützt sie vor Regen, im Winter vor Kälte, im Büro vor Schweißgeruch und im Sommer vor UV-Licht. Auch der Geschäftsmann trage heute gerne Funktionskleidung zum Anzug, will Schürg beobachtet haben.

Dass Outdoor-Mode heute nicht mehr vorwiegend in der Wildnis getragen wird, bringt eine neue Anforderung mit sich: Die Kleidung muss „stylisch“ aussehen, sagt Andreas Steinle, der Geschäftsführer des Zukunftsinstituts in Kelkheim ist. „Die meisten gehen eher im Taunus spazieren, als im Himalaya auf einen 8000er zu steigen.“ Funktionalität und alltagstauglicher Chic gehen zusammen - das zeigen die Ausrüster auf der Outdoor-Messe in ihren Frühjahrs- und Sommerkollektionen für 2012.

Jack Wolfskin hat modische Funktionskleidung im Programm, die vor allem atmungsaktiv ist. Sportlich und „casual“ fällt die Basis-Linie von Schöffel aus. Waren bisher kleine Markenlogos bestimmend, wirbt der deutscher Hersteller nun mit großflächigen Print-Motiven. Vorbilder liefert die Freizeitmode. Auch die kommende Damen-Kollektion des italienischen Ausrüsters Wild Roses setzt auf bedruckte Shirts.

Salewa hat im Sommerkatalog 2012 für die Händler eine eigene Sparte mit Modellen für den Einsatzbereich „Erlebnistrips“ aufgeführt. Die Schnitte sind locker und die Kleidung eher für Trekking und Reisen als für hochalpine Bergtouren konzipiert. Vaude hat die stadttaugliche Linie „Urban Life“ im Programm. Und Adidas hat eine neue Serie aufgelegt, die passenderweise gleich den Namen „Everyday Outdoor“ trägt. Sie ist vor allem für urbane Trendsportarten konzipiert - etwa Parcouring, dem Überwinden von Hindernissen in der Stadt, oder Slacklining, dem Balancieren auf einer Art Seil.

Das Verständnis von Outdoor hat sich geändert: „Früher hieß das Aussteiger sein, heute ist es eine Ergänzung des Alltags“, sagt Beppler. Kurztrips ins Grüne lösen mehrtägige Wandertouren ab. „Der Trend geht zu Wochenendausflügen. Oft reicht schon ein Nachmittag draußen.“ Das Ganze sei durch die Work-Life-Balance vieler Stadtbewohner bedingt, erklärt Carsten Schürg. Viele hätten einfach nicht die Zeit für lange Touren.

Auch auf einem Tagesausflug will der Städter allerdings gut ausgerüstet sein. „Ohne Satellitennavigation begibt sich heute keiner mehr auf eine einstündige Wanderung“, bemerkt Zukunftsforscher Steinle etwas überspitzt. Tatsächlich bedeutet der Einfall der Outdoor-Mode in die Stadt nicht, dass die Hersteller weniger Wert auf Funktionalität legen. Hochqualitative Membranen machen die Urban Outdoor-Jacken oft genauso wettertauglich wie Modelle, die explizit für den hochalpinen Einsatz konzipiert sind.

„Die Ausrüster setzen aber noch mehr auf Komfort und Leichtigkeit“, erläutert Beppler. „In der Stadt muss eine Jacke an den Schultern keinen 15-Kilo-Rucksack tragen.“ Das Material wird folglich noch leichter. Wichtig sei außerdem Atmungsaktivität. Die neue Textil-Generation lässt die Luft durch die Kleidung strömen, ohne dass Wasser durchkommt. Columbia Sportswear veranschaulicht das Prinzip an seinem Messestand: Von oben drückt Wasser auf das Textil, von unten werden gleichzeitig Luftblasen hindurch gepustet. Der Stoff hält dicht.

„Urban Outdoor ist für uns ein spannendes Thema“, sagt Carsten Schürg bei der Präsentation der Umsatzzahlen von Sportscheck, und das dürfte es auch in Zukunft bleiben. Der Trend zu Bio-Essen finde seine Entsprechung in der Mode, erklärt Steinle. Die Menschen wollten die Natur zurück in ihren Alltag holen. „Deshalb bepflanzen sie auch ihre Dächer und legen Gärten in der Stadt an.“ Dahinter stecke der Wunsch nach Entschleunigung und Geborgenheit. „Natur bietet seelische Balance und Stille, man kann die Batterien neu aufladen.“

Draußen-Kleidung ist darüber hinaus nicht unbedingt körperlicher Aktivität verpflichtet. „Outdoor ist nicht Sport, sondern Genuss“ - so formuliert es der Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen, Klaus Wellmann. Die Trendforscher sehen das ähnlich.

„Outdoor-Mode ist ein Statement. Sie soll eine bestimmte Befindlichkeit und Wertehaltung ausdrücken“, befindet Steinle. Ihr Träger fühle sich sportlich und naturverbunden. Und Natur gelte dem Stadtmenschen heute als Luxus. Wer etwas auf sich hält, fahre im Urlaub in ein Öko-Resort. „Der alte Luxus war das Grand Hotel, der neue ist das Baumhaus.“

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