Auch eine Frage der Ethik Down-Syndrom: Bluttest als Kassenleistung rückt näher

Sollen die Kassen vorgeburtliche Bluttests auf Chromosomenstörungen wie Trisomie-21, das Down-Syndrom, bezahlen? Das zuständige Gremium startet das Verfahren, um die Frage zu klären. Der Bundestag bleibt trotz Kritik bislang untätig.

 Ein Mädchen mit Trisomie 21 in sprachtherapeutischer Behandlung. 

Ein Mädchen mit Trisomie 21 in sprachtherapeutischer Behandlung. 

Foto: obs/dbl e.V.

Es ist eine weitreichende Entscheidung, in der es nicht bloß um die Finanzierung einer medizinischen Leistung durch die gesetzlichen Krankenkassen geht. Sondern auch um eine damit verbundene ethische Frage: Sollen die Kassen vorgeburtliche Bluttests auf Chromosomenstörungen wie Trisomie-21, das Down-Syndrom, bezahlen?

Der für solche Fragen zuständige Gemeinsame Bundesaussschuss (G-BA, s. Infokasten) will Ende dieser Woche ein entsprechendes „Stellungnahmeverfahren“ für an dieser Frage beteiligte Interessengruppen einleiten. Mit einer Entscheidung, so ist zu hören, ist noch im Spätsommer zu rechnen. Details zu dem Beschluss und damit auch zu der Frage, in welchen Fällen es eine Kassenfinanzierung geben soll, werden am Freitag bekannt gegeben.

Einfaches Testverfahren, weitreichende ethische Folgen

In wissenschaftlichen Studien hat sich herausgestellt, dass Untersuchungen des Blutes Schwangerer Trisomie 21 zuverlässig bestimmen können. Ein solcher Test würde eine Fruchtwasserpunktion überflüssig machen, bei der mit einer dünnen Nadel durch die Bauchdecke der Schwangeren bis in die Fruchtblase gestochen und etwas Fruchtwasser zur Analyse entnommen wird. Eine Methode, bei der es zur Fehlgeburt kommen kann. Dieses Risiko entfiele bei einem Bluttest.

So überzeugend sich die Sache und auch die Forderung nach Finanzierung durch die Krankenkasse anhört – es gibt Widerstand. Eine parteiübergreifende Initiative von Bundestagsabgeordneten fragt: Was wären die Folgen einer solchen Entscheidung? Befürchtet wird, dass sich immer mehr werdende Eltern für solche Tests entscheiden, wenn diese als Regelversorgung etabliert werden. Wie gehen sie um mit einem leicht zugänglichen Ergebnis, das man doch gerade durch die Untersuchung ausschließen will? Entscheiden sich dann mehr werdende Mütter für eine Abtreibung? Und geraten diejenigen unter Rechtfertigungsdruck, die sich gegen einen dann doch so ungefährlichen und von den Kassen finanzierten Test entscheiden, und damit gegebenenfalls auch für ein Kind mit Down-Syndrom?

Diese Argumente haben die Politiker schon vor Monaten in die Öffentlichkeit gebracht. Doch eine Debatte im Bundestag, in der die ethischen Aspekte der Frage öffentlich diskutiert werden, gab es bislang nicht. Ebenso wenig wie einen Termin dafür. So kann es sein, dass der G-BA sein Verfahren abschließt und die politische Diskussion zu spät kommt.

Auch aus Sicht von Rudolf Henke, der nicht nur Präsident der Ärztekammer Nordrhein, sondern auch CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitinitiator der parteiübergreifenden Initiative ist, ist die Sache drängend: „Es wird Zeit, dass wir dem Gemeinsamen Bundesausschuss zeigen, wie der Deutsche Bundestag das Thema behandeln will.“

Aber selbst wenn der Bundestag eine solche sicherlich viel beachtete Debatte anstoßen sollte, hat dies keine unmittelbare Auswirkung auf die Entscheidung des G-BA. Denn ob etwas Kassenleistung wird oder nicht, liegt in dessen Kompetenz. Dass ein Reinreden der Politik da für Irritationen sorgen würde, hat jüngst ein anderer Fall gezeigt. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich dafür aus, das Fettabsaugen bei Lipödem (Fettverteilungsstörung an Armen oder Beinen) zur Kassenleistung zu machen. Soll da eine Entscheidung, für die andere zuständig sind, in die Politik gezogen werden? Auch um diese grundsätzliche Frage wird es bei dem Thema Bluttest zur Feststellung von Trisomie 21 gehen. Mag sein, dass hier aufgrund der weitreichenden ethischen Bedeutung des Themas die Politik doch am Ende das entscheidende Wort sprechen wird.

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