Die Stimme ist noch älter als er

Tom Waits, der Musiker, Poet und Schauspieler vom Rand der Gesellschaft, wird am Montag 60 Jahre alt. Eine Würdigung.

Düsseldorf. Der 60. Geburtstag von Thomas Alan Waits ist, glaubt man seinen eigenen Ausführungen, späte Folge eines Zeugungsaktes hinter den Bahngleisen. In einem billigen Motel, "zwischen einer zerbrochenen Flasche Whiskey, einer glimmenden Zigarette und einem halben Thunfisch-Sandwich" begann vor etwa 60 Jahren und neun Monaten das Leben des Tom Waits.

Diese Geschichte sagt zweierlei über den Musiker, Schauspieler und Autor aus: Er möchte von der Schattenseite der Gesellschaft, aus der Gosse kommen. Und er erzählt Journalisten gerne, was er will, und oft ist das Quatsch. Sein Bild in der Öffentlichkeit interessiert ihn nur insofern, als er Spaß an dessen Manipulation hat.

Tom Waits’ Lebensmittelpunkt ist seit jeher Kalifornien. Doch die Hippies, die Blumenkinder, die bemüht Unangepassten, hat er ebenso gehasst wie die späteren Yuppies, die Strebsamen, die zu sehr Angepassten. Waits wollte ein Leben in "selbst gewählter Armut" führen, und seine Ideen bekam er in schmuddeligen Bars, zwielichtigen Stadtteilen und von Menschen, denen oft das Attribut "gescheitert" gegeben wird.

Waits kommt aus der Welt der Rauch- und Saufgeschichten, er liebt Literaten wie Jack Kerouac, William S. Burroughs und Charles Bukowski. Seine Werke entstehen aus einem nicht beendeten Zerstörungsprozess. Wie das dann klingt? "Ein Straßenjunge mit Schweißerbrille schippert einen Sarg mit großen Schwimmreifen über den Ohio River, während ein Frauenverprügler einen angezündeten Feuerwerkskörper im Ohr stecken hat", so Waits auf seiner Internetseite.

Er benutzt gerne mal Dinge, die zum Musizieren nicht unbedingt erfunden wurden, Werkzeuge oder Alltagsgegenstände, die irgendein Geräusch machen. Sein eigentliches Instrument, sagt er, sei aber ohnehin seine Stimme. Der "Reibeisen"-Vergleich ist dabei noch viel zu harmlos. Waits hat eine gelebte, verlebte Stimme, Ergebnis von reichlichem Zigaretten- und Whiskey-Konsum. Dass diese Stimme zu Rock, Balladen und Krach passt, ist ein Beweis seiner Wandlungsfähigkeit. Bemerkenswert ist auch, dass er überzeugende Geschichten von gefallenen Sündern ebenso schreiben kann wie einen höchst politischen Song über den Konflikt zwischen Israel und Palästina.

Oder wie ergreifend er von einer Liebe erzählt, die niemals enden soll, komme da Schreckliches was wolle. Dass Schreckliches kommt, versteht sich bei Waits irgendwann von selbst.

Nicht nur als Musiker, auch als Schauspieler war Waits aktiv, etwa mit Iggy Pop in Jim Jarmuschs Episodenfilm "Coffee and Cigarettes". Der Dialog zweier Ikonen über Kaffee, Zigaretten und Musik erhielt in Cannes den Preis als bester Kurzfilm. Im Theater machte Waits mit einer Adaption von Büchners "Woyzeck" auf sich aufmerksam, in den 90ern hatte er großen Erfolg mit dem Stück "The Black Rider", das derzeit am Düsseldorfer Schauspielhaus zu sehen ist.

Ein bewegtes Leben, über das er sich in einem Lied mal beschwert hat: Immer bekommt er Regen ab, egal, wohin er auch geht. Ein Resümee aus einem anderen seiner Songs passt zu Tom Waits besser: "Für einen alten Blechbüchsen-Segler habe ich meine Sache gut gemacht."

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