„Die Menschen geben etwas zurück“

Kirsten Kausch pflegt seit 20 Jahren alte Menschen. Ein Knochenjob, der kaum anerkannt ist.

Bielefeld. Sie tut alles für ein Lachen, auch eine Arbeit, die zu wenige machen wollen: Kirsten Kausch pflegt alte Menschen. Sie ist examinierte Altenpflegerin und seit 20 Jahren im Beruf. Leid und Tod, Stress, Zeitdruck. Warum sie sich das antut? „Die alten Menschen geben mir etwas zurück, wenn sie sich bedanken oder wenn sie lachen.“

Sieben Uhr, Schichtwechsel im Marie-Schmalenbach-Haus in Herford. Etwas müde gibt die Nachtschicht die wichtigsten Informationen an Kirsten Kausch weiter. Sie macht sich Notizen, steckt den Zettel in die Tasche. Der Arbeitstag beginnt.

Im Marie-Schmalenbach-Haus wohnen 80 ältere Menschen in acht Wohnungen. Es ist eine Mischung aus Heim und betreutem Wohnen, Hausgemeinschaft nennt sich das Modell. Kausch ist für zwei Wohnungen zuständig.

Der Tagesplan verrät ihr, wer heute zum Arzt muss, welche besonderen Behandlungen angesetzt sind. Der Praktikant, der Frau Möller zum Arzt begleiten soll, wird eingewiesen. Kausch verteilt Medikamente am Frühstückstisch, schlaftrunken sitzt Herr Schwarz am Tisch, während die Pflegerin seinen Blutzuckerspiegel misst. „Oh prima, alles gut.“

Inzwischen ist es fast halb neun. Kausch spricht viel mit der 73-Jährigen, die an Parkinson leidet. Sie sagt ihr immer vorher, was sie gleich tun wird, damit die Frau nicht erschrickt. Etwa wenn sie sie mit einem Waschlappen wäscht, ihren Rücken rubbelt und massiert. „Das mag sie besonders“, weiß Kausch.

Bis zum Schichtende wird Kirsten Kausch noch weitere Bewohner des Schmalenbach-Hauses begrüßen, waschen, windeln, kämmen, füttern. Sie wird Medikamente verteilen, Trost spenden, über Wangen streicheln, Tabellen ausfüllen, Bestellungen aufgeben, Arzttermine vereinbaren, akute Probleme lösen, Praktikanten einweisen, mit Angehörigen telefonieren. Am Ende steht wieder die Übergabe, diesmal an die Nachmittagsschicht.

Nicht wenige Experten sagen, dass die wachsende Lücke auf dem Arbeitsmarkt zumindest teilweise geschlossen werden könnte, wenn Altenpfleger nicht so früh aus dem Beruf aussteigen würden. Verschärfend wirkt auch, dass viele Altenpfleger Teilzeit arbeiten. „Vollzeit würde ich heute gar nicht mehr schaffen“, sagt Kausch.

Die 43-Jährige arbeitet derzeit 30 Stunden pro Woche. Und unter den jetzigen Bedingungen, sagt sie, „hält man das sowieso nicht bis zur Rente durch“. Hausleiterin Diana Schmidt stimmt ihr zu. „Die Gefahr eines Burn-Out ist bei Vollzeitstellen größer.“

Kausch wünscht sich auch ein besseres Image für ihren Beruf. In Berichten über Altenpflegeheime gehe es immer um Missstände, schlechte Versorgung, Misshandlungen, sagt auch Hausleiterin Schmidt. Es tue schon weh, wenn sie Angehörige sagen höre: „Mir tut es doch auch leid, dich einfach hierzulassen.“ Soziale Berufe seien oft kaum anerkannt.

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