Die jungen Wilden von Florenz im Städel

Frankfurt/Main (dpa) - Es waren keine ruhigen Zeiten in Florenz Mitte des 16. Jahrhunderts: Die Medici beherrschen alles, fliehen und kehren zurück.

Die jungen Wilden von Florenz im Städel
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Die Republik wird ausgerufen und wieder kassiert. Rom wird geplündert, Florenz belagert, die Pest wütet. 36 000 Menschen sterben in dieser Zeit, ein Drittel der Bevölkerung. Wer die Kunst dieser Zeit nur flüchtig betrachtet, wundert sich: Heiligenbilder und Herrscherporträts.

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Das Frankfurter Städel-Museum versucht sich an der Rehabilitation einer Kunstepoche, die lange nicht gut gelitten war: dem Manierismus. Einerseits meint der Begriff - zeitlich gesehen - die Übergangsphase zwischen Renaissance und Barock. Andererseits - als Stil verstanden - wird er bis heute verwendet für etwas übertrieben Gekünsteltes. „Maniera. Pontormo, Bronzino und das Florenz der Medici“ heißt die Ausstellung, die bis 5. Juni zu sehen ist.

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120 der 130 Werke sind Leihgaben, einige hätten Florenz zuvor noch nie verlassen, sagt Kurator Bastian Eclercy. Die Schau sei die erste umfassende Ausstellung über Manierismus in Europa außerhalb Italiens. Museumsdirektor Max Hollein spricht von einer „herausragenden Malergeneration“, die mit modernen, kühnen Ideen nach radikalen, eigenwilligen Lösungen gesucht habe: „eine Kunst von besonderer Intensität“.

Auf den modernen Betrachter wirken die Bilder eher zahm - zur Entstehungszeit, 1512 bis 1568, waren die Maler um Pontormo und Bronzino „die jungen Wilden von Florenz“. Durch das Gewand der Mutter Gottes blitzt eine Brustwarze, das Jesuskind ist fast eine Karikatur, der heilige Hieronymus, sonst alt und bärtig, ist jung, kahl, athletisch und windet sich grotesk verdreht aus dem Bild.

Dass die Werke in einer Zeit heftigster Umbrüche entstanden sind, bleibt oft hinter der Hochglanzfassade der Kunstfertigkeit verborgen. Was die Auftraggeber angeht, waren die Maler auch nicht wählerisch, wie man im Katalog nachlesen kann. Als die Republik den Bach runterging und die Medici ihren Platz wieder einnahmen, porträtierten sie erst die einen und dann die anderen Herrscher.

Die Ausstellung stelle, so der Kurator, bewusst nicht einen Künstler ins Rampenlicht. „Wir zeigen die Beziehungen zwischen den Künstlern: wer arbeitet zusammen, wer lernt von wem, wer grenzt sich von wem ab.“ Neben Gemälden und Zeichnungen bezieht das Städel auch Skulpturen und sogar Architektur ein: Im ersten Stock empfängt den Besucher ein fünf Meter hoher Nachbau der Fassade einer Bibliothek, die Michelangelo für die Medici entworfen hat.

An den Heroen der Hochrenaissance, an Michelangelo, Raffael und Leonardo, arbeiten sich die Künstler der „Maniera“ lebenslang ab. Bis heute stehen sie in ihrem Schatten. „Dabei sind einige der spannendsten künstlerischen Leistungen der Zeit erst in den zwei darauffolgenden Generationen erbracht worden“, ist Eclercy überzeugt.

Für ihn ist der Manierismus die Geburtsstunde des Individualismus in der Kunstgeschichte. So ist es vielleicht auch kein Zufall, dass aus dieser Zeit eines der ältesten Künstler-Tagebücher stammt. In Frankfurt wurde ein ganzer Raum mit Auszügen aus Pontormos Aufzeichnungen tapeziert. „Den 18. nicht gearbeitet. Den 19. Arbeit an den zwei Köpfen der Toten unterhalb des Arsches der Frauengestalt. Den 20. wurde die Wäsche gekocht. Den 21. Mittagsmahl mit Bronzino.“

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