Die Geschäfte eines Untoten

John Darwin täuschte für einen Betrug seinen Tod vor. Jetzt schmuggelte er seine Memoiren aus der Haft.

London. Im März 2002 paddelt John Darwin bei unruhigem Wetter aufs Meer hinaus und kommt nie wieder. Wohltätigkeitsorganisationen spenden Zehntausende Euro für Seerettungsaktionen, doch alle Hoffnung schwindet, als Darwins zersplitterter roter Kajak angespült wird.

Seine Söhne Mark und Anthony tragen Trauer, die Witwe erst recht. Ein Jahr nach Darwins Verschwinden streut sie Blütenblätter ins Meer und hofft, dass seine Leiche gefunden wird, damit sie "Abschied nehmen" kann. Ein bühnenreifes Schauspiel.

Denn Darwin ist nicht tot. Er hält sich versteckt, während seine Frau Polizei, Staatsanwaltschaft und Versicherungen von seinem "Unfall" überzeugt und die rund 300.000 Euro seiner Lebensversicherung kassiert. Ihnen schien der vorgetäuschte Tod der einzige Ausweg aus ihrer Geldmisere. "Wenn wir schon nicht richtig sterben konnten", schreibt Darwin jetzt, "dann könnte ich wenigstens so tun, als sei ich tot".

Die Lebensbeichte, die Darwin im Gefängnis verfasst hat und aus der die Zeitung "Sun" jetzt Auszüge abdruckte, beginnt klassisch britisch: mit dem Schritt in die Schuldenfalle. Der Gefängnisaufseher und die Empfangsdame einer Arztpraxis hatten hohe Kredite aufgenommen und sich zwölf Ein-Raum-Appartements im Nordosten der Insel gekauft. Die Mieteinnahmen sollten ihr mageres Einkommen aufpolstern.

Doch einige Studios bekamen sie nicht vermietet, andere Mieter zahlten einfach nicht. Irgendwann konnten die Darwins die monatlichen Hypotheken von 7.500 Euro nicht mehr zahlen. Dazu kamen 85.000 Euro Kreditkartenschulden. Die Banken wurden ungeduldig.

"Eingekesselt. Kann mich nirgendwo hinwenden. Druck vom Gerichtsvollzieher. Stress bei der Arbeit. Stress durch Schlafmangel, weil ich mir zu viel aufgehalst habe - ein Vollzeitjob und diese Wohnungen, einfach zu viel", schreibt er jetzt.

Privatinsolvenz war für Darwin keine Lösung: "Der Gedanke, alles zu verlieren, war unerträglich." Lieber spielte er sein Verschwinden vor, ließ das Kanu im Wasser und mietete sich in einer Pension ein. Dort bekam der Fall eine erschreckende Dynamik: "Ich schaltete das Fernsehen ein, und da war die Rede von der größten Rettungsaktion an der Ostküste. Du Narr, du hättest wirklich ertrinken sollen, dachte ich. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr. Mein Leben auf der Flucht hatte begonnen."

Er hatte sich das Ganze einfacher vorgestellt: Seine Frau sollte mit der Versicherungsprämie die Schulden abtragen, und er würde "irgendwie wieder auftauchen". Doch vorerst schläft Darwin bei klirrender Kälte im Freien, ernährt sich von Schokoriegeln und Cola, bis seine Frau ihn verstecken kann. Derweil ziehen die Immobilienpreise in England an, bald verfügt Anne Darwin über ein Guthaben von fast einer Million Euro. Als sie 2007 zu zweit in Panama eine Wohnung kaufen, bekommen Fahnder jedoch Wind von dem Betrug.

Der "Kanu-Mann" gaukelt in einer Polizeistation noch vor, er hätte einen Gedächtnisverlust erlitten. Doch Darwin ist enttarnt. Die bis dahin ahnungslosen Söhne sind fassungslos. Er und seine Frau wandern wegen schwerem Betrug sechs Jahre ins Gefängnis. Mit seiner Lebensbeichte versucht er erneut, an Geld zu kommen: Er hofft auf eine Million Pfund.

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