Ernährung Die Deutschen essen frischer, besser und regionaler

Düsseldorf · Der Umsatz bei Bio und Co. steigt. Ein Experte sagt aber: Der Trend ist nicht neu, der Handel hat ihn nur lange verschlafen.

 In Deutschland wird sich statistisch gesehen besser ernährt, als noch vor ein paar Jahren. Symbolbild.

In Deutschland wird sich statistisch gesehen besser ernährt, als noch vor ein paar Jahren. Symbolbild.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Die Deutschen haben den Ruf, beim Lebensmittelkauf echte Billigheimer zu sein. Doch das stimmt laut Handelsverband HDE nicht mehr: Bei der diesjährigen Konjunkturumfrage gaben nur 29 Prozent der Textilhändler und 20 Prozent der Elektroartikelhändler an, ihre Geschäftslage habe sich verbessert – bei den Nahrungsmitteln hingegen jubelten 49 Prozent der Händler über steigende Umsätze. „Es wird nicht mehr gegessen in Deutschland, aber besser“, sagt HDE-Geschäftsführer Stefan Genth.

Es gebe, so Genth, „eine komplett neue Sortimentsoffensive“, so dass selbst Discounter jetzt Frische, Regionalität und Bio böten. Die Zahl der Hersteller sei so groß wie nie und bringe „viel Wettbewerb zugunsten der Verbraucher, aber auch der regionalen Landwirte“. Auch laut Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) ist Hauptgrund für die 2019 erwartete Umsatzsteigerung von 2,2 Prozent trotz schwacher Konjunktur, „dass die Leute höherwertige Produkte kaufen, die teurer sind“.

Neues Siegel „Regionalfenster“ für mehr als 4000 Produkte

Laut Böttcher nimmt die Qualität als Faktor für die Kaufentscheidung gegenüber dem Preis beständig zu. „Bei Bio sieht man das ganz, ganz deutlich.“ Dort sei die Marke von zehn Milliarden Euro geknackt, auch bei Fair-Trade-Produkten habe es zuletzt immer nur Zuwächse gegeben auf zuletzt eine Milliarde Euro Umsatz. Bei Regionalität sei der Trend schwerer messbar, weil es noch kein festes Siegelsystem gebe. „Veränderungsraten sind schwerer zählbar“, sagt Böttcher.

Einen Versuch, das zu ändern und den Trend zu befeuern, unternimmt das „Regionalfenster“ seit 2014. Das Portfolio des Siegels ist rasch auf 4200 Produkte gewachsen. „Wir nehmen ein steigendes Interesse wahr“, so Sprecherin Madeleine Altenhein. „Wir haben inzwischen fast alle Handelsunternehmen dabei oder sind mit ihnen im Gespräch.“ Die Prüfung jedes einzelnen Lebensmittels auf seine regionale Herstellung sei „relativ aufwendig“ und werde jährlich überprüft. Eine Studie der Fachhochschule Münster bestätigte, dass 34 Prozent der Kunden durch das „Regionalfenster“ bereit seien, mehr für ein Produkt zu zahlen.

„Der Trend ist da, dass Ansprüche und Zahlungsbereitschaft der Kunden wachsen“, bestätigt Professor Ulrich Hamm, Fachgebietsleiter für Agrar- und Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel, der viel zu diesem Themenbereich geforscht hat. Lange habe für deutsche Konsumenten gegolten, dass sie zwar beispielsweise einen technisch höchstwertigen Grill kauften, darauf aber Billigfleisch zubereiteten. „Das dreht sich“, sagt Hamm.

Er sagt aber auch, dass es einen Kundenkreis, der für Qualität gern Geld ausgibt, schon lange gibt. Aber: Der Handel selbst habe über lange Zeit allein über den Preis für sein Angebot geworben. „Jetzt ist der Handel aufgewacht und steigt massiv ein, weil damit viel Geld zu verdienen ist. Er entdeckt Qualität als Wettbewerbsparameter.“ Die Entwicklung sei also vom Verbraucher selbst ausgegangen – der gar nicht so geizig sei wie oft angenommen, sagt der Forscher: „Die Zahlungsbereitschaft der Deutschen wird ständig unterschätzt.“

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