Deutschlands beste Badmintonspielerin bei Olympia: Die Kleine kommt groß raus

Olympia: Die Badmintonspielerin Huaiwen Xu kehrt als Deutsche in ihr Geburtsland zurück – und will eine Medaille holen.

Peking. Für Deutschlands beste Badmintonspielerin Huaiwen Xu (gesprochen "uhei wenn chü") sind die Olympischen Spiele eine Reise in die Vergangenheit. Die Weltranglisten-Achte wurde in China geboren und gehörte bis zu ihrer Ausreise 2000 mehrere Jahre dem Nationalkader an.

Zwei Jahre verbrachte sie in einer Sportschule in Peking, "aber wir durften nicht raus, die chinesische Mauer habe ich noch nie gesehen." Huangwen Xu war ehrgeizig: "Ich habe härter trainiert als die anderen" - noch eine halbe Stunde mehr für die Technik, noch mehr Seilsprünge beim Konditionstraining. Es nützte ihr nichts. Der Trainer fand sie mit 1,60 Meter einfach zu klein. "Irgendwann bekommst du deine Chance", sagten sie ihr. Doch irgendwann wurde ihr klar: Mit 24 Jahren würde sie nicht mehr wachsen.

Also nutzte sie die 90 Minuten, die ihr am Tag zwischen dem Ende des Trainings um 20.30 Uhr und der Bettruhe um 22 Uhr blieben, um heimlich Englisch zu pauken. Über E-Mails nahm sie Kontakt zu Vereinen in Dänemark, Schweden und Deutschland auf. Der Bundesligist Friedrichshafen signalisierte Interesse. Huaiwen Xu schaffte es, ein Visum zu bekommen, und machte sich auf zum Bodensee.

Das rüde Befehlssystem in China ließ sie hinter sich. Dafür traf sie nun auf die Mühen der Selbstständigkeit - in China hatte der Trainer alles entschieden. In einer Art Crash-Kurs stürzte sie in ihr neues Leben. In einem dreimonatigen Intensivkurs lernte sie Deutsch. Sie war so darauf erpicht, sich bei Grammatik-Patzern verbessern zu lassen, dass ihre Mitschüler ihr den Spitznamen "Frau Schmidt" gaben. Natürlich spricht sie längst fließend.

Huaiwen Xu war erst fassungslos über den offenen Umgang miteinander. Kritik am Trainer? "Das war für mich in China unvorstellbar." Das Abklatschen der Spieler? "Chinesen sind zurückhaltend, wollen auf dem Feld keine Schwäche zeigen. Ich habe auch noch nie zu meiner Mutter gesagt: Ich liebe dich - und sie auch nicht zu mir." Erst fand sie es unangenehm, "jetzt finde ich es sehr schön."

Auch ans Essen musste sie sich gewöhnen. Nicht einmal chinesische Restaurants sind ein Trost: "Das Essen dort wird nach deutschem Geschmack gekocht. Da ist sehr viel Soße dabei. Wir kennen das nicht so. Wir essen mit Schüssel und Stäbchen, das wäre mit Soße schwieriger. Und Soße macht dick."

Sportlich läuft alles blendend. 2003 wechselte sie zum 1. FC Bischmisheim ("ich trainiere fast nur mit den Männern"), wurde seither fünf Mal Deutsche Meisterin, holte Medaillen bei EM und WM. "Mein großer Wunsch ist eine olympische Medaille", sagt die Wahl-Saarländerin.

Im Viertelfinale von Peking droht aber bereits ein Duell mit der Weltranglisten-Ersten Xie Xingfang (China). Doch Huaiwen Xu bleibt wie meist gut gelaunt: "Hoffentlich gelingt die Überraschung."

Huaiwen Xu bestreitet ihr erstes Spiel morgen um 14 Uhr MESZ gegen die Finnin Anu Nieminen. Am Sonntag überträgt das ZDF.

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