Verfassungsbericht NRW Deutlich mehr Gewalt von rechts und links

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) stellt den Bericht des Verfassungsschutzes vor. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist um 28 Prozent gestiegen.

Polizisten nehmen in Wuppertal ein Mitglied von „Hogesa“ (Hooligans gegen Salafisten) fest.

Polizisten nehmen in Wuppertal ein Mitglied von „Hogesa“ (Hooligans gegen Salafisten) fest.

Foto: dpa

Düsseldorf. Eine Spirale der Gewalt dreht sich in Nordrhein-Westfalen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2015 hervor, den NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag in Düsseldorf vorgestellt hat. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist um 28 Prozent von 5583 auf 7532 gestiegen. Im Fokus stehen radikale Salafisten sowie rechte und linke Extremisten. „Die Szenen schaukeln sich gegenseitig hoch“, erklärte Jäger. Salafisten rufen Rechte auf den Plan, die dann wiederum von Linksautonomen attackiert werden. Diese „Resonanzgewalt“ gefährde den inneren Frieden, so der Minister, der ein hartes Vorgehen gegen politisch motivierte Gewalt ankündigte.

Polizisten nehmen in Solingen radikale Salafisten fest.

Polizisten nehmen in Solingen radikale Salafisten fest.

Foto: dpa

Ein weiteres Phänomen sei die Erkenntnis, dass bei den im Jahr 2015 insgesamt 114 politisch motivierten Taten gegen Flüchtlingsunterkünfte in Nordrhein-Westfalen — darunter 22 Gewaltdelikte — oftmals nicht polizeibekannte Menschen am Werk waren. „Es gibt einen neuen Tätertyp, der sich schnell radikalisiert und die Schwelle von der Ideologie zum Anschlag ohne Zwischenschritte überspringt“, sagte Jäger. 66 Prozent der Tatverdächtigen seien laut NRW-Innenminister zuvor noch nicht als rechte Gewalttäter aufgefallen. „Diese Turbo-Radikalisierung rechtzeitig zu erkennen, ist besonders schwierig“, erklärte der Minister.

Die Gewalt von Linksradikalen hat enorm zugenommen. Archiv

Die Gewalt von Linksradikalen hat enorm zugenommen. Archiv

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In Zahlen drückt sich das so aus: Rechtsextremistische Straftaten sind 2015 im Vergleich zum Vorjahr von 3237 auf 4420 gestiegen. Die Zahl der Straften von Linksautonomen hat sich von 1178 auf 2063 fast verdoppelt. Im Bereich der Gewaltkriminalität verzeichnete das NRW-Innenministerium 370 Gewaltdelikte von rechten (2014: 289) und 401 (199) von linken Tätergruppen. Letzteres begründete Jäger damit, dass sich nach Eintreffen der Flüchtlinge die Zahl der Demonstrationen gegen rechts deutlich erhöht hat. Linksautonome richten ihre Gewalttaten zudem laut Jäger häufig gleichzeitig gegen rechte Gruppierungen und Polizeibeamte, die Demonstrationszüge begleiten.

In dieser Gemengelage bleibt die Gefahr besonders hoch, die von extremistischen Salafisten ausgeht. „Der Terror kann heute jeden an fast jedem Ort treffen“, warnte Jäger. Die IS-Truppen in Syrien und dem Irak seien zwar militärisch auf dem Rückzug, doch die Strategie ihrer Anführer habe sich geändert. „Sie versuchen gezielt junge Menschen, die noch ihren Platz im Leben suchen, von ihrer rückwärtsgewandten Ideologie zu überzeugen“, so Jäger.

Neben dieser jungen Tätergruppe, die zum Beispiel auch für den Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen verantwortlich war, sind besonders Syrien-Rückkehrer im Fokus der Behörden. „Wenn sie Kampferfahrung haben, sind sie besonders gefährlich“, sagte Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes. Seit 2011 sind 240 Personen laut Freier in die Kriegsregion ausgereist, 90 haben die Behörden rechtzeitig daran hindern können. Aber: „Bei der Vielzahl von potenziellen Tätern in ganz Europa ist es nicht möglich, alle im Blick zu behalten“, sagte Jäger. Die Bedrohung könne nur in Zusammenarbeit mit den Behörden der europäischen Nachbarn eingedämmt werden. An dieser Stelle sei die Kooperation aber „noch ausbaufähig“, so Jäger, der sich eine bessere Kommunikation zwischen den Behörden wünscht: „Wenn ein Rückkehrer in ein anderes Land einreist, dann müssen wir das auch wissen“.

In NRW gibt es nach Angaben von Jäger derzeit 2700 Salafisten, darunter 140 Minderjährige. Eine Gesetzesänderung gibt den NRW-Behörden die Möglichkeit, die Daten von Menschen ab 14 Jahren zu speichern, wenn sie als gewaltbereit gelten. Gleichzeitig setzt Jäger auf Prävention, auch wenn sie „kein Allheilmittel“ ist. Das Ausstiegsprogramm „Wegweiser“, bei dem zum einen schon radikalisierte Menschen aus den Fängen der Salafisten zurückgeholt und zum anderen das Abrutschen in die Szene verhindert werden soll, wird nach den Worten Jägers weiter vorangetrieben: „Das ist genau der richtige Ansatz, damit wir Kinder und Jugendliche nicht an die salafistischen Verführer verlieren.“

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