Detlef Opitz: „Zu gut für einen Bestseller“
Porträt: In der DDR wurde er verfolgt, nach der Wende kaum gelesen – doch manche Kritiker nennen ihn ein Genie. Der Berliner Schriftsteller Detlef Opitz lebt ein Leben der Extreme.
Düsseldorf. In der Rykestraße am Prenzlauer Berg, im Herzen von Berlins angesagter Mitte, da gibt es unter den Kellnern der zahlreichen Kneipen ein Sprichwort. Wenn sie kurz vor Morgengrauen ihre Lokale abschließen, schauen sie nochmal zu dem altrosa Gründerzeithaus an der Ecke Wörther Straße hoch. Oben, im vierten Stock, ist fast immer noch ein Fenster hell. "Im Kreml brennt noch Licht", sagen die Kellner dann, bevor auch sie endlich nach Hause gehen. Hinter dem Fenster wohnt Detlef Opitz.
Opitz, Bergmannssohn aus dem Erzgebirge, ist Schriftsteller. Er war schon hier, bevor all die jungen, kreativen Wessis "am Prenzelberg" einzogen, um trendige Bestseller zu verfassen. Opitz kam 1982 - quasi auf der Flucht aus seiner Heimatstadt Halle, wo er ins Visier der DDR-Staatsmacht geraten war. Und anders als die Kehlmanns, Roches und Regeners wird Opitz auch nicht dabeisein, wenn sich die deutsche Literaturszene nun wieder auf der Frankfurter Buchmesse zum Schaulaufen trifft - seine Arbeitszyklen sind abgekoppelt vom Rhythmus des Literaturbetriebs. Seit er Ende der Siebziger zu schreiben begann, hat er drei Bücher veröffentlicht. "Keine große Bilanz", sagt der 51-Jährige mit dünnem Lächeln, zieht an der Selbstgedrehten und lehnt sich im Schaukelstuhl zurück.
Die Anfänge verhießen Größeres: Mit 25 Jahren publizierte der gelernte Schlosser in "Sinn und Form", der wichtigsten DDR-Literaturzeitschrift - ein Ritterschlag für einen Jung-Autor. Auch einen Studienplatz hatte er in der Tasche, damals, 1980. Doch dann fiel er, der nie Parteimitglied war, in staatliche Ungnade. Weil er den Wehrdienst verweigert hatte? Aufmüpfige Briefe an die Obrigkeit schrieb? Er weiß bis heute nicht, was letztlich der Grund war für das fast zehnjährige Berufsverbot, den Passentzug, die Stasi-Verhöre. Ihm blieb damals nur der Weg nach Berlin - in die Untergrund-Szene am Prenzlauer Berg.
"Hier stand man nicht so sehr unter Beobachtung", erinnert sich Opitz. Literarisch-künstlerische Aussteiger lebten hier in abbruchreifen Häusern, schrieben Gedichte oder anspruchsvolle Prosa, die nie veröffentlicht wurde. Opitz wurde einer von ihnen, lernte Schriftsteller-Größen wie Heiner Müller und Christa Wolf kennen, publizierte heimlich Artikel im Westen. "Die Literaturgeschichte ist wichtiger als das Literaturgeschäft" - diesem Credo folgt er seit damals.
Dementsprechend quält sich Detlef Opitz bei seinen Büchern. Zwanzigmal und mehr setzt er ein Werk an, löscht Entwürfe wieder, poliert, verwirft: "Ich bin mega-selbstkritisch." Sechs Jahre Arbeit kostete ihn sein 2005 erschienener Roman "Der Büchermörder", der den Fall eines mordenden Pfarrers im Leipzig der Jahre 1812/13 rekonstruiert. Den Spuren folgte Opitz bis in die USA - am Ende stand kein lockerer Historien-Krimi, sondern ein 350-Seiter mit drei Erzählebenen, Randbemerkungen, ganzen Kapiteln im Deutsch des frühen 19. Jahrhunderts. "Virtuos", "originell", "genial", jubelte die Kritik - der Verlag bekam gerade die Kosten wieder rein, Opitz verdiente gar nichts. "Ich bin zu gut für einen Bestseller."