Krebstherapie in Brügge Der letzte Strohhalm - Schwierige Arbeit nach dem Tod von Patienten

Die alternative Krebs-Praxis ist für sie der letzte Strohhalm. Viele Patienten greifen danach. Doch mehrere Todesfälle schrecken auf. War es das Heilmittel? Eine schwierige Suche für die Ermittler.

Das Gebäude des "Biologischen Krebs-Zentrum" in Brüggen-Bracht.

Das Gebäude des "Biologischen Krebs-Zentrum" in Brüggen-Bracht.

Foto: Henning Kaiser

Mönchengladbach. Die alternative Praxis an der deutsch-niederländischen Grenze war für schwer krebskranke Patienten wohl der letzte Strohhalm: In der Schulmedizin galten die meisten als austherapiert, wie Oberstaatsanwalt Axel Stahl am Freitag in Mönchengladbach sagte. „In einer solchen Situation braucht man nicht sehr viel Fantasie sich vorzustellen, dass man bereit ist, sich auch experimentellen Dingen - jedem Strohhalm zu nähern, der verspricht, dass man noch ein bisschen länger leben darf.“ Rund 10 000 Euro bezahlten die Patienten für diese Hoffnung, wie aus der mittlerweile gelöschten Internetseite des Heilpraktikers deutlich geworden war.

Fünf Patienten aus Belgien und den Niederlanden ließen sich Ende Juli in der Praxis behandeln: Drei starben wenige Tage danach, zwei kamen mit lebensgefährlichen Symptomen in ärztliche Behandlung. „Wenn in kürzester Zeit Menschen nach einer bestimmten Therapie eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustand erleiden, spricht vieles dafür, dass das etwas damit zu tun hat“, sagte Stahl. Dieser Zusammenhang müsse bewiesen werden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Betreiber und Heilpraktiker der Praxis wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen. Nach dem ersten Todesfall hatte der Heilpraktiker den „unbegründeten Verdacht“ gegen ihn auf seiner Internet-Seite bedauert. Er darf vorerst nicht mehr praktizieren.

Der Mann hatte für seine Therapie mit 3-Bromopyruvat (3-BP) geworben. „3-Bromopyruvat ist ein experimenteller Wirkstoff, der weltweit in der Tumortherapie eingesetzt wird“, sagte Stahl. Genauer gesagt in der alternativen Tumortherapie, konkretisierte Stahl später. Das Präparat soll in die Zuckerregulierung des Stoffwechsels eingreifen und den Tumor so bekämpfen. Es ist zwar nicht als Medikament zugelassen - seine Anwendung ist aber auch nicht ausdrücklich verboten. Der Heilpraktiker habe es einsetzen dürfen, sagte Stahl.

„Es gibt die Arbeitsthese, dass mit dem Wirkstoff etwas nicht in Ordnung war“, stellte der Staatsanwalt fest: War der Stoff verunreinigt oder falsch dosiert? Die Ermittler machten keine Angaben dazu, ob sie 3-BP bei der Durchsuchung der Praxis sichergestellt haben. Eine Spur führt in eine hessische Apotheke, zu der der Mann Kontakte gehabt haben soll.

Viele Patienten hatten ja auch schon eine Chemotherapie hinter sich, möglicherweise habe es Wechselwirkungen gegeben. Und: Sind die Patienten überhaupt damit therapiert worden? Zum vorläufigen Obduktionsergebnis äußerten sich die Ermittler nicht. Sie warten das Ergebnis einer pharmazeutischen und toxikologischen Untersuchung ab, die sie ergänzend in Auftrag gegeben haben. Aber der Nachweis des Wirkstoffs sei gar nicht einfach, sagte Stahl.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Heilpraktiker schon vorher Patienten mit 3-BP behandelt hatte. Insgesamt 69 Patienten seien seit Bestehen der Praxis in den letzten gut zwei Jahren gestorben. Es gebe aber keinen Anlass die Ermittlungen auch auf diese Fälle auszuweiten, sagte Stahl. Aber niederländische Beamte der Opferhilfe sollen Verwandte befragen, ob ihre Angehörigen mit 3-BP behandelt wurden. Vor allem Niederländer haben sich an die Praxis kurz hinter der deutschen Grenze gewandt. Eine Exhumierung sei zum jetzigen Zeitpunkt kein Thema, betonte Stahl.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort