Der Augenarzt für die Bedürftigen

Hans-Walter Roth behandelt Patienten auch mal kostenlos — dafür könnte ihm ein Verfahren drohen.

Ulm. Der Ulmer Augenarzt Hans-Walter Roth hat ein Herz für Arme. Geschichten über Menschen, die Hilfe brauchen, kennt er viele. Er selbst behandelt seit Jahren bedürftige Menschen für wenig Geld oder kostenlos, in einer Art Armenklinik.

„Ich habe schon immer geholfen“, sagt der 68-Jährige. „Ich komme aus einfachen Verhältnissen, aus einer Pfarrersfamilie“, erzählt Roth. Heute lebt er mit seiner Frau und zwei Hunden in einem Vorort der Donaustadt.

Kürzlich half er einer Frau, die zum Sozialfall wurde, nachdem ihre Firma pleiteging. Sie bekam Brustkrebs. „Weil sie die Beiträge nicht mehr zahlen konnte, wollte die private Krankenversicherung nicht für die Krebsbehandlung aufkommen“, erklärt Roth, der seine „Armenklinik“ über ein Ärzte-Netzwerk führt.

„Ein befreundeter Gynäkologe hätte sich bereiterklärt, die Operation zu übernehmen.“ Schließlich zahlte die Versicherung doch die rund 30 000 Euro. Roth hatte Druck gemacht, indem er den Fall samt Namen der Versicherung veröffentlichte.

Bis 2008 hatte Roth noch eine eigene Praxis. Er arbeitet zurzeit in einer Kollegenpraxis tageweise mit. 2009 beschloss er, die Ulmer Armenklinik aus dem Mittelalter wiederzubeleben. „Sie wurde von dem Patrizier Johannes Roth gegründet, mit dem ich aber nicht verwandt bin.“

Seine Armenklinik ist kein Gebäude, sondern eine Absprache unter etwa 30 Kollegen aus allen Fachrichtungen. „Das funktioniert dann so“, erklärt Roth. „Ich habe einen Fall übers Sozialamt und frage einen Kollegen: Könntest Du das übernehmen?“ Die mittellosen Patienten würden in den jeweiligen Praxen kostenlos ohne Papierkram zwischendurch einfach mitbehandelt. „Das klappt hervorragend. Mich hat noch nie einer sitzen lassen.“

Patienten kostenlos behandelt hat er schon vor der Armenklinik. Es gebe genug Menschen, deren Krankenversicherung die Behandlung nicht bezahle oder die überhaupt nicht versichert seien.

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg sehe sein Engagement aber nicht gern. „Eine kostenfreie Behandlung ist nach der Berufsordnung für Ärzte nicht möglich“, sagt der Leiter der Pressestelle, Oliver Erens. Zu Roth direkt will er nichts sagen, der Vorgang gegen ihn sei noch nicht abgeschlossen. „Die Ärztekammer hat mir mit einem Verfahren gedroht“, sagt Roth.

„Natürlich darf ein Arzt kostenlos behandeln — schon wegen des hippokratischen Eids“, heißt es hingegen von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Pressereferentin Renate Matenaer zitiert aus derselben Berufsordnung: „Ärzte können Verwandten, Kollegen und mittellosen Patienten das Honorar ganz oder teilweise erlassen.“ „Ich arbeite in einer gesetzlichen Grauzone“, fasst der Augenarzt zusammen.

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