Datenschützer schließen "Lidl-Verhältnisse" in NRW nicht aus - Lidl entschuldigt sich

Eine Mitarbeiter-Überwachung wie bei dem Lebensmitteldiscounter Lidl können Datenschützer auch für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen nicht ausschließen. Derweil entschuldigte sich der Discounter bei seinen Mitarbeitern für die Bespitzelung.

Düsseldorf. Eine Mitarbeiter-Überwachung wie bei dem Lebensmitteldiscounter Lidl können Datenschützer auch für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen nicht ausschließen. "Ein Fall wie Lidl, bei dem derart detailliert Informationen gesammelt wurden, ist uns zwar nicht bekannt - das heißt aber nicht, dass es so etwas nicht gibt", sagte Bettina Gayk, Sprecherin der Landesdatenschutzbeauftragten, am Donnerstag in Düsseldorf. Die Zahl der Fälle, in denen sich Mitarbeiter wegen des Verdachts einer Bespitzelung an die Datenschützer wendeten, sei in den vergangenen Jahren nicht auffällig gestiegen. Dass Beschäftigte überwacht werden, sei auch kein Phänomen von einigen wenigen Geschäftsbereichen. "Das zieht sich durch alle Branchen und betrifft sowohl kleine Betriebe als große Unternehmen", sagte Gayk. Aus Lidl-Filialen in NRW würden den Datenschützern derzeit aber keine Rückmeldungen vorliegen, sagte die Sprecherin. Sollte es konkrete Anhaltspunkte geben, wolle man aber nicht ausschließen, dass sich die Behörde in einzelnen Filialen genauer informieren werde. Lidl soll Beschäftigte in zahlreichen Filialen systematisch überwacht haben, hatte das Magazin "stern" am Mittwoch berichtet. Über zahlreiche Überwachungskameras sei registriert worden, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat und wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt". Entsprechende Berichte solle es aus Filialen in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein geben. Die Videoüberwachung sei bei Beschwerden von Mitarbeitern das häufigste Thema, erklärte Gayk. Arbeitgeber setzten die Kameras oft zur Gebäudesicherung oder Warenüberwachung ein. "Oftmals fühlen sich die Mitarbeiter dabei aber mitüberwacht." In den meisten Fällen würden Beschäftigte erst nach Monaten bemerken, dass ihr Arbeitgeber sie überwacht, sagte Gayk. "Und selbst dann wenden sich nicht alle an uns, weil sie um ihren Arbeitsplatz fürchten", sagte die Sprecherin. Diese Angst sei allerdings unbegründet. "Bei unseren Untersuchungen wird der Name der Quelle nicht genannt." Unterdessen hat sich der Lebensmitteldiscounter Lidl am Donnerstag bei seinen Mitarbeitern wegen der in mehreren Filialen aufgedeckten Überwachungsmethoden entschuldigt. Politiker, Gewerkschaften und Verbände der Wirtschaft protestierten weiter gegen die Maßnahmen. In einem Brief der Lidl-Geschäftsführung an die Mitarbeiter heißt es: "Wenn Sie sich in Misskredit gebracht und persönlich verletzt fühlen, so bedauern wir dies außerordentlich und entschuldigen uns dafür bei Ihnen." Das Schreiben ist nach Lidl-Angaben an alle 48 000 Mitarbeiter in Deutschland gegangen. Lidl teilte mit, "Inventurkontrollen", bei denen Detekteien eingesetzt worden seien, habe es in etwa 200 Lidl-Filialen in Deutschland gegeben. Das entspreche etwa acht Prozent des deutschen Filialnetzes. Die Lidl- Sprecherin sagte, es sei um "Warensicherungsmaßnahmen" gegangen. Lidl soll Beschäftigte in zahlreichen Filialen systematisch überwacht haben, hatte das Magazin "stern" am Mittwoch berichtet. Über zahlreiche Überwachungskameras sei registriert worden, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat und wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt". Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft rügte, bei Lidl sei ethisches Bewusstsein mit Füßen getreten worden: "Menschen zu bespitzeln ist weder fair noch bei einem berechtigten Interesse an Kontrolle in dieser Form nachvollziehbar." Die Gewerkschaft ver.di sprach von einer Verletzung der Grundrechte. Die Grünen forderten Sanktionen gegen Lidl, da nach ihrer Auffassung gegen den Datenschutz verstoßen wurde. Ver.di prangert schon seit Jahren Methoden an, mit denen sich Lidl aus Sicht der Gewerkschaft gegen die Bestellung von Betriebsräten wehrt und hat darüber auch ein "Schwarzbuch" veröffentlicht. Lidl selbst erklärte, künftig keine Detektivbüros mehr mit der Überwachung der Filialen zu beauftragen. Die stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende Margret Mönig-Raane rief nach Angaben von stern.de betroffene Lidl-Mitarbeiter zu Schadenersatzklagen gegen den Discounter auf.

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