Das Meer als gigantisches Kraftwerk

Rund ein Siebtel des gesamten Strombedarfs der Welt könnte eines Tages aus den Ozeanen kommen. Forscher setzen auf die Kraft der Wellen und der Gezeiten.

Düsseldorf. Seeschlangen, Wellendrachen, Napfschnecken - was sich anhört wie Geschöpfe aus einem Biologiebuch oder Fantasy-Roman, könnte in einigen Jahrzehnten vielleicht zu einem guten Teil unsere Energieversorgung sichern. Es geht um die Kraft der Meere - die Kraft der Gezeiten und der Wellen - , die Forscher in Strom umwandeln wollen.

Bis zu 15 Prozent des Strombedarfs auf der ganzen Welt könnte in Zukunft aus dem Meer gedeckt werden, rechnet der Internationale Energierat in London vor. Doch bisher stecken die meisten Versuche noch in den Kinderschuhen, obwohl an ihnen zum Teil schon seit Jahrzehnten getüftelt wird. Das Problem: Viele Anlagen sind zu schwerfällig, um effizient Energie erzeugen zu können. Andere wiederum sind so leicht und empfindlich, dass sie bei schwerer See schnell zu Bruch gehen. Es gibt aber auch Ausnahmen.

Das erste moderne Wellenkraftwerk produziert seit knapp acht Jahren auf der schottischen Insel Islay im Atlantik Strom für immerhin 50 Haushalte. Den Spitznamen Napfschnecke hat das Bauwerk von seiner Lage: Es "klebt" sozusagen an den Klippen - wie sein Namensgeber aus der Tierwelt.

Den Entwickler Wavegen hat mittlerweile die deutsche Firma Voith Siemens Hydro Power (VSH) geschluckt - der zweitgrößte Produzent von Wasserkraftwerken weltweit. Dort gibt man sich überzeugt, dass der Energie aus Wellen die Zukunft gehört. Bis zu 100 000 "Napfschnecken" weltweit kann sich Jochen Weilepp, Abteilungsleiter für Meeresenergien bei VSH, in Zukunft vorstellen. Marktreife erwarten Beobachter schon binnen der kommenden drei Jahre.

Der Vorteil: Die Geräte lassen sich in Kaimauern einbauen. "Wenn man unsere Geräte beim Bau neuer Küstenanlagen gleich integriert, sind wir bei den Kosten nicht zu schlagen", sagt Weilepp.

Rund 30 Kilowatt pro Meter können die Turbinen im Jahr produzieren - allerdings nur in sehr guten Lagen. Zurzeit sucht der Energieriese EnBW zusammen mit VSH einen Standort an der Nordseeküste für das erste deutsche Wellenkraftwerk. Zumindest 250 Kilowatt Nennleistung soll es erreichen, allerdings wird das Potenzial an der Nordseeküste auf höchstens 15 Kilowatt pro Meter geschätzt.

Diese relativ geringe Energieausbeute ist der Haken an der landbasierten Technik. Auf offener See entwickelt eine Welle bis zu fünfmal so viel Energie wie an Land. Das brachte Forscher auf die Idee, Wellenkraftwerke mitten im Meer zu installieren.

Eine der aussichtsreichsten Varianten ist der "Wellendrache", eine Art riesiger schwimmender Container, der Meerwasser schluckt und durch große Turbinen am Boden wieder ins Meer zurück leitet. Die Technische Universität München hat das Kraftwerk mit entwickelt, getestet wird es seit vier Jahren vor der dänischen Nordseeküste - trotz gelegentlicher Schäden durch Stürme mit Erfolg: Vor der walisischen Küste ist nun ein 300 mal 150 Meter großer "Monsterdrache" geplant. Er soll 17 Millionen Euro kosten und es auf eine Gesamtleistung von sieben Megawatt bringen.

Technik im treibhaus

Mitten im Meer werden auch die "Seeschlangen" oder Pelamis-Kraftwerke installiert. Auch sie haben eine sechsjährige Testphase hinter sich und sollen nun vor Portugals Atlantikküste Strom produzieren.

Sie sehen aus wie riesige Windkrafträder - nur umgedreht, die Rotoren drehen sich unter Wasser. Ein solches Gezeitenströmungskraftwerk existiert bisher nur in Planungen, aber die Ingenieure von VSH sind fest entschlossen, es zu realisieren.

Vor Südkoreas Küste soll in den kommenden Jahren ein solcher "Seekraftpark" entstehen. Die 500 bis 1000 Turbinen werden jeweils eine Nennleistung von 600 bis 1000 Kilowatt haben, insgesamt soll der geplante Park auf stolze 600 Megawatt kommen.

Napfschnecke / oszillierende Wassersäule Unter einem trichterförmigen Dach sorgen die heranrollenden Wellen für auf- und absteigendes Wasser. Dadurch wird die Luft in dem Raum zusammengepresst und wieder ausgedehnt. Der Luftstrom wird jeweils durch eine Turbine geleitet, die mit ihrem Generator die in dem Druckunterschied gespeicherte Energie in Strom umwandelt.

Wellendrache Über den Rand eines schwimmenden Containers schwappen die Wellen hinein. Das Wasser fließt durch Turbinen im Boden wieder zurück ins Meer.

Seeschlange / Pelamis-Kraftwerk Die aus mit Gelenken verbundenen Schwimmkörpern bestehende Stahlschlange liegt quer zum Wellenkamm. Kolbenpumpen in der Nähe der Gliedergelenke werden durch jedes Einknicken bei einer Welle betätigt und setzen Hydrauliköl unter Druck. Dieses wird zu den stromerzeugenden Generatoren geleitet.

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