„Così“ in Salzburg: Festspiele als Wellness-Oase

Salzburg (dpa) - Opulente Oberfläche, wenig Tiefgang. Auch die letzte Neuinszenierung der diesjährigen Salzburger Festspiele bestätigte, was sich in den Wochen zuvor und im vergangenen Jahr bereits angedeutet hatte.

Das weltgrößte Musik- und Theaterfestival ist wieder in seligen Karajan-Zeiten angekommen. Sven-Eric Bechtolf, Theaterdirektor des Hochglanzfestivals, brachte Mozarts Opernklassiker am Mittwochabend im Salzburger Haus für Mozart als brav-naturalistische Slapstick-Posse heraus. Psychologische Tiefenschärfe ließ die Arbeit ebenso vermissen wie kritische Zeitbezüge.

Mozarts „Così“ handelt, wie viele Opern, von den menschlichen Leidenschaften, von Liebe, Treue, Untreue, Hass. Don Alfonso, der Zyniker vom Dienst, hat die beiden Herzensbrecher Guglielmo und Ferrando zu einem psychologischen Experiment animiert. Sie sollen ihre Einberufung zum Militär vortäuschen und dann im Mummenschanz ihren Verlobten Fiordiligi und Dorabella den Hof machen, um deren Treue zu testen. Nach einem Partnertausch eskaliert das Spiel, aus einem bizarren Spaß wird bitterer Ernst.

Bechtolfs Bühnenbildner Rolf Glittenberg hat das von Mozart und seinem berühmten Librettisten Lorenzo Da Ponte in der „Così“ angerichtete Gefühlschaos beziehungsreich in einem dschungelartigen Palmenhaus arrangiert. Mittig ein Bassin, das mal als Wellness-Oase der beiden jungen Damen, mal als neckisches Fußbad für Don Alfonso und seine Zofe Dorabella dient. Oder als Meeresallegorie - wenn nämlich Fiordiligi und Dorabella auf dem Tümpelchen melancholisch die Segelschiffe kreisen lassen, die ihnen die angeblich abkommandierten Verlobten zum Abschied hinterlassen haben.

In diesem durchaus anmutigen Setting agieren sämtliche Protagonisten des Sechs-Personen-Stücks streng symmetrisch, oft der Einfachheit halber gleich vorne an der Rampe, und vollführen allerlei bemüht witzige Einlagen. Etwa als Ferrando seine Angebetete als David Garrett-Verschnitt mit Violinentönen zu betören versucht und mit nackter Brust den Muskelmann gibt. Don Alfonso trägt Bratenrock und Zopfperücke und könnte auch aus einer seichten Rossini-Oper stammen. Vollends zur Klamotte werden die Auftritte von Dorabella als Wunderdoktor und tattriger Notar. Das alles ist so bieder und betulich ziseliert, dass man denken könnte, Bechtolf sei bei Otto Schenk in die Lehre gegangen, der Legende des neoklassizistischen Theaters der 60er und 70er Jahre. Ohne allerdings Schenks unbestrittene Klasse zu erreichen.

Dass Don Alfonso, die drei Männer der „Così“ überhaupt, den Frauen übel mitspielen, dass am Schluss trotz Happy End mit Doppelhochzeit verwüstete Seelen zurückbleiben, scheint Bechtolf nicht zu interessieren. Zwar lässt der Regisseur den diabolischen Spielmacher am Ende sterben. Doch dies ist keine Botschaft, sondern nur ein dummer Zufall. Alfonso trinkt versehentlich einen Giftcocktail, den Guglielmo eigentlich für seine untreue Verlobte gemixt hatte.

Ein paar Glücksmomente bescherte dem Publikum im ausverkauften Haus für Mozart die Musik. Dirigent Christoph Eschenbach animierte die in kleiner Besetzung aufspielenden Wiener Philharmoniker zu einem federnden, luftigen Klang. Auch an den Leistungen des homogenen Sängerensembles, unter anderem mit der schwedischen Sopranistin und Mozart-Spezialistin Malin Hartelius als Fiordiligi und dem kanadischen Bariton Gerald Finley als Don Alfonso, gab es wenig auszusetzen.

Trotzdem wurde Eschenbach von Teilen des Publikums ausgebuht, was möglicherweise der Welser-Möst-Fraktion zu verdanken war. Eigentlich sollte der österreichische Stardirigent Franz Welser-Möst den neuen Salzburger Mozart/Da Ponte-Zyklus leiten. Nach einem Streit mit Intendant Alexander Pereira warf er jedoch verärgert das Handtuch. Bechtolf und den Glittenbergs - Marianne Glittenberg war für die Kostüme verantwortlich - scholl ein unentschlossenes Buh-Bravo-Gemisch entgegen.

Als Interims-Intendant für den an die Mailänder Scala wechselnden Alexander Pereira ist Bechtolf 2014 und 2015 auch für die beiden anderen Mozart/Da Ponte-Opern gebucht, den „Don Giovanni“ und „Le nozze di Figaro“. Unter ihm dürften die Salzburger Festspiele weiter auf neokonservativem Kurs bleiben.

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