Corona-Pandemie Biontech/Pfizer reduzieren Impfstoff-Lieferungen - auch an Deutschland

Berlin · Auch Deutschland muss in den nächsten Wochen mit weniger Biontech-Impfstoff rechnen. Unterdessen wurde klar, dass das Mainzer Unternehmen Biontech in seinem neuen Werk in Marburg Corona-Impfstoff herstellen darf.

 Um diesen Impfstoff geht es.

Um diesen Impfstoff geht es.

Foto: dpa/Matthias Bein

Das US-Unternehmen Pfizer verringert kurzfristig für drei bis vier Wochen die Lieferungen von Impfstoff seines deutschen Kooperationspartners Biontech an Deutschland und weitere europäische Staaten. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium am Freitagnachmittag in Berlin mit. Grund seien Umbaumaßnahmen im Pfizer-Werk im belgischen Puurs, mit denen längerfristig die Produktionsmengen dort erhöht werden sollten.

"Die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern nehmen diese sehr kurzfristige wie unerwartete Mitteilung der Kommission und von Pfizer mit Bedauern zur Kenntnis", hieß es weiter in der Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums. Dies gelte umso mehr, als Liefermengen zuvor von dem Unternehmen verbindlich zugesagt worden seien.

Nach Abschluss der Arbeiten wolle Pfizer ab Mitte Februar in Puurs mehr Impfstoff herstellen als bisher. Von der Kürzung noch nicht betroffen ist demnach die für kommenden Montag geplante nächste Lieferung an Deutschland, die nach den bisherigen Plänen rund 670.000 Impfdosen umfassen sollte. Auch die Gesamtmenge der geplanten Lieferungen im ersten Quartal bleibe bestehen.

Wie groß sind die Biontech-Lieferausfälle?

Aus dem Pfizer-Werk in Puurs werden weltweit alle Länder außer den USA mit dem Biontech-Impfstoff beliefert. Die Kürzungen waren zunächst aus Norwegen gemeldet worden. Für Deutschland waren für das erste Quartal elf Millionen Impfdosen angekündigt gewesen. Durch die Nutzung von sechs statt fünf Dosen pro Ampulle sollte sich diese Anzahl aber erhöhen.

Wie groß nun die Lieferausfälle in den kommenden Wochen ausfallen dürften, teilte das Gesundheitsministerium zunächst nicht mit. In der "Bild"-Zeitung hieß es, womöglich könnten einige Lieferungen sogar ganz ausfallen. Dafür gab es aber zunächst keine Bestätigung. Grünes Licht gaben die Behörden unterdessen für die geplante neue Produktionsstätte für den Biontech-Impfstoff im hessischen Marburg:

Biontech darf Impfstoff in Marburg herstellen

Unterdessen wurde klar, dass das Mainzer Unternehmen Biontech in seinem neuen Werk in Marburg Corona-Impfstoff herstellen darf. Das zuständige Regierungspräsidium Gießen habe die Produktion des Mittels in der Anlage in der mittelhessischen Stadt genehmigt, teilte die hessische Landesregierung am Freitag in Wiesbaden mit. Biontech kündigte an, dass es wie geplant beim Produktionsbeginn im Februar bleibe. Dem Unternehmen zufolge vergehen zwischen der Herstellung und Freigabe des kontrollierten Vakzins dann üblicherweise etwa vier Wochen.

Im ersten Halbjahr 2021 sollen in Marburg 250 Millionen Dosen des Impfstoffes von Biontech und seines US-Partners Pfizer hergestellt werden. Als Gesamtmenge einer Jahresproduktion streben die Mainzer nach eigenen Angaben hier 750 Millionen Dosen an.

Biontech hatte das Marburger Werk vor einigen Wochen vom Schweizer Pharma-Konzern Novartis übernommen. Die Anlage muss für die Impfstoffproduktion umgestellt und der Betrieb vom Regierungspräsidium Gießen als zuständige Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Der Marburger Produktionsstandort mit 300 Mitarbeitern gehört zu einem Pharma-Park, wo mehrere pharmazeutische Firmen angesiedelt sind.

Pfizer hatte vor anstehenden Lieferkürzungen gewarnt

Der US-Pharmagigant Pfizer hatte zuvor nach Angaben der norwegischen Behörden vor anstehenden Lieferkürzungen bei dem gemeinsam mit dem Mainzer Unternehmen Biontech entwickelten Impfstoff gegen das Coronavirus gewarnt. "Die vorübergehende Kürzung wird alle europäischen Länder betreffen", erklärte am Freitag das staatliche Gesundheitsinstitut in Oslo. Die Kürzungen würden "ab kommender Woche" erfolgen, Pfizer wolle in der Zeit seine Produktionskapazitäten verbessern.

"Es ist derzeit nicht klar, wie lange es genau dauern wird, bis Pfizer seine maximale Produktionskapazität erreichen wird, die von 1,3 Milliarden auf zwei Milliarden Dosen jährlich steigen soll", hieß es in der Erklärung weiter. Angaben über die Liefermengen für ganz Europa wurden nicht gemacht, nur für Norwegen: Demnach werden für das skandinavische Land in der kommenden Woche nur 36.075 Impfstoffdosen erwartet, zuvor waren es 43.875. Dies entspricht einem Minus von fast 18 Prozent.

Der Impfstoff von Biontech und Pfizer war als erstes Vakzin gegen das Coronavirus in der Europäischen Union (EU) zugelassen worden. Er wird bereits weitflächig eingesetzt. Als zweiter Impfstoff erhielt inzwischen auch das Mittel des US-Herstellers Moderna eine europaweite Zulassung, der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca wird derzeit von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) geprüft.

Impfungen sind derzeit der Hoffnungsschimmer im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die Zahl der Corona-Infektionen in Europa hatte laut einer AFP-Zählung am Freitagmorgen die Schwelle von 30 Millionen überschritten.

EU-Kommissionschefin von der Leyen: Pfizer will Lieferzusagen für Corona-Impfstoff einhalten

Trotz der Verzögerungen des Pharmakonzerns Pfizer bei der Produktion des Corona-Impfstoffs hält das Unternehmen die Lieferzusagen für die EU nach Angaben von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im ersten Quartal 2021 ein. Sie habe die Berichte dazu mitbekommen und daraufhin sofort den Pfizer-Chef angerufen, sagte von der Leyen am Freitag bei einem Besuch in Lissabon. Dieser habe erklärt, dass es in den kommenden Wochen eine Produktionsverzögerung gebe. Zugleich habe er jedoch versichert, dass alle garantierten Dosen im ersten Quartal auch geliefert würden. Er werde sich persönlich darum kümmern, die Verzögerung zu reduzieren und so schnell wie möglich aufzuholen.

Pfizer hatte am Freitag selbst mitgeteilt, mit einer Einschränkung der Corona-Impfstoff-Lieferungen in Europa in den kommenden Wochen zu rechnen. Maßnahmen zur Erhöhung der Produktion im Werk in Puurs in Belgien würden sich „vorübergehend auf die Lieferungen von Ende Januar bis Anfang Februar auswirken“.

Fragen danach, wie viele Impfstoff-Dosen aufgrund der Probleme zunächst weniger geliefert würden, beantworte von der Leyen nicht. Dies müsse das Unternehmen beantworten. Sie verwies jedoch darauf, wie wichtig es sei, dass die zugesagten Dosen bis Ende März geliefert würden. Weil es innerhalb eines bestimmten Zeitraums zwei Impfungen des Impfstoffs von Pfizer und seines deutschen Partners Biontech brauche, gebe es auch die medizinische Notwendigkeit, dass der Impfstoff rechtzeitig geliefert werde.

Zugleich betonte von der Leyen, dass dies nicht die ersten Verzögerungen „in diesem Prozess“ seien. „Wir sollten nicht vergessen, dass es normalerweise etwa zehn Jahre dauert, bis ein Impfstoff entwickelt ist und zur Verfügung steht.“ Diese Zeit habe man auf weniger als ein Jahr reduziert. „Und wir erleben deshalb zur Zeit auf einmal alle Probleme, die normalerweise über einen längeren Zeitraum auftreten.“ Es werde auch weiterhin Probleme geben. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass dieser Prozess insgesamt ein großer Erfolg war.“

(AFP/dpa)
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