Computerspiele: Clubhaus der Ballermänner

In Köln spielen Jugendliche gemeinsam das umstrittene Counter-Strike. Vorsitzender des Vereins ist ein Kripo-Beamter.

Köln. Hinter der unscheinbaren Glastür soll es passieren. Mitten auf dem Wiener Platz, im Herzen von Köln Mülheim. Hier wird Counter-Strike gespielt, jener Ego-Shooter, der im Zusammenhang mit den Amokläufen von Erfurt, Emsdetten und Winnenden nicht selten als die Ursache allen Übels ausgemacht wurde.

Und hier ist es nicht bloß einer, der bewaffnet mit Pistole oder Gewehr virtuelle Räume nach Gegnern durchforstet, hier ist es gleich ein ganzes Team. Insofern müsste das Vereinsheim des Computerspieler-Clans "n!faculty" fast so etwas sein wie die Zentrale des Bösen.

Lächelnd öffnet ein junger Mann die Tür. "Hi, ich bin Benedikt", sagt er. Benedikt Schatto, 25 Jahre alt, von Beruf Fachinformatiker und bei "n!faculty" Trainer der Counter-Strike Mannschaft.

"Die Spieler sind schon da", sagt er. Es geht vorbei an "Gordon"- ein großes Plastikabbild des Computerspielhelden aus "Half-Life" -, vorbei am Foyer mit der orangefarbenen Sofaecke, vorbei an den vereinseigenen Duschen. "Die brauchen die Spieler tatsächlich", erklärt er.

Vorsitzender von "n!faculty" ist Kriminal-Hauptkommissar Frank Pinter. Sein beruflicher Schwerpunkt: Internetkriminalität. Die Zentrale in Köln ist ein Unikat. "Bisher sind wir das einzige Team im elektronischen Sport weltweit, das ein Vereinsheim hat", sagt Trainer Schatto.

Eingeweiht wurde das "Clubhaus Counter-Strike", so könnte man es nennen, im Sommer 2008. Auch Oberbürgermeister Fritz Schramma war da - schließlich wird der Verein von der Stadt unterstützt.

Die Situation in der ersten Etage erinnert an den Tower eines Flughafens. Ausgestattet mit Mikrofon und Kopfhörer sitzen Spieler nebeneinander, starren auf Bildschirme und kommunizieren in Fachsprache. "Banane Nino, Vorsicht Awe, T-Stück." Und immer wieder Waffen auf dem Bildschirm. Messer, Pistolen, Gewehre.

Dabei sei alles nur eine Art Räuber-und-Gendarm-Spiel, sagt Mike aus Krefeld. Der 18-Jährige Informatikstudent ist der Kapitän des Teams, trifft schnell taktische Entscheidungen und navigiert seine Truppe über den Bildschirm. Die Gefahr lauert in Form des Gegnerteams, der "Komacrew", deren Spieler irgendwo in Deutschland ebenfalls vor ihren Computern sitzen.

Vorerst übernimmt das Kölner Team die Rolle von Terroristen. In 15 Runden muss die Mannschaft zwei Bomben platzieren - und darf keinesfalls von ihren Gegnern, den Polizisten, erschossen werden. Ab Runde 16 werden die Rollen getauscht.

Gewonnen hat am Ende die Mannschaft, die über die Hälfte der insgesamt 30 Runden für sich entscheidet. Heute ist regulärer Spieltag in der ESL, der Electronic Sports League - sozusagen die Bundesliga der organisierten Computerspiel-Wettkämpfe.

"Um das Team zusammenzustellen, haben wir ein Casting veranstaltet", sagt der Vorsitzende Pinter. Die meisten Bewerber waren zwischen 16 und 18 Jahre alt. "Einige haben sogar ihre Eltern mitgebracht." Eine Tatsache, die der 36-Jährige begrüßt. "Wir wollen weg von der Anonymität, die entsteht, wenn Jugendliche alleine von zu Hause aus spielen. Wir wollen sie aus ihren Kinderzimmern raus holen."

Mike und seine Mitspieler sind jetzt mittendrin im virtuellen Häuserkampf. "Joe, lauf Mitte hoch", rät Spieler Nino seinem Kollegen. Er, mit seiner Spielfigur schon weiter in das Gefecht vorgedrungen, weiß, wo sich die Gegner versteckt haben und kann die anderen warnen. "Soll ich dich rausflashen?", fragt Team-Mitglied Azmican Kollegen Joe.

Der Schüler ist in einen Hinterhalt geraten, also wirft Azmican eine Blendgranate, damit Joe entkommen kann. "Da ist viel Teamwork gefragt", flüstert Schatto. Zwar wird geschossen, mal geflucht oder vor Freude geschrien - von der oft besagten Aggressivität ist hier jedoch nicht viel zu spüren. "Harmonie ist dabei ganz wichtig", erklärt der Trainer. "Wenn du mit deinem Mitspieler zwischenmenschlich nicht auskommst, ist auch das Zusammenspiel unmöglich."

Heute haben die Jungs verloren - und nehmen’s gelassen. Was sie stört, ist das Bild, das von Counter-Strike vermittelt werde. "Das Spiel hat fast eine Sündenbock-Rolle eingenommen", sagt Mike.

Dabei gebe es bei den meisten Versionen nicht einmal Blut. Schatto: "Oft werden Standbilder gezeigt, die tatsächlich gewalttätigere Spiele abbilden". Bei Counter-Strike gebe es keine Kettensägen oder fehlende Gliedmaßen. Zudem stehe hier Taktik und nicht Gewalt im Vordergrund. "Für Profis ist es völlig egal, ob der Gegner die Gestalt eines Menschen hat oder die eines Legosteins."

Dem Vorurteil eines generellen Zusammenhangs von Counter-Strike und Amokläufen können die Spieler nur mit Kopfschütteln begegnen. "Das Spiel ist sehr beliebt. Da ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch bei Amokläufern auf dem PC gefunden wird", sagt Azmican. "Wenn die Zahl der Autounfälle steigt, wird auch nicht gleich behauptet, dass zu viele Leute das Rennspiel Need for Speed spielen."

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