Kriminalität Brutale Überfälle sorgen für Entsetzen - Mehr Gewalt gegen Senioren

Der jüngste Angriff auf einen Rentner in Haan offenbart eine neue Ruchlosigkeit der Täter. Viele Opfer kämpfen lange mit den Folgen.

Kriminalität: Brutale Überfälle sorgen für Entsetzen - Mehr Gewalt gegen Senioren
Foto: dpa

Düsseldorf. Der Fall hatte kurz vor Pfingsten für Entsetzen in der Bevölkerung und in den sozialen Medien gesorgt: In Haan im Kreis Mettmann erlebte ein 82-jähriger Rentner alptraumhafte Szenen, als er bei seiner Heimkehr mehrere Einbrecher in seinem Haus überraschte. Die Täter überfielen den Mann brutal, fesselten ihn im Garten und zündeten schließlich sein Haus an. Sie traktierten den Haaner mit Schlägen und bedrohten ihn mit dem Tod, um an seine Wertsachen zu gelangen. Aktuell tappt die Polizei in Mettmann noch im Dunkeln — von den Tätern fehlt bislang jede Spur.

Ähnlich gelagerte Fälle hatte die Polizei in den vergangenen Jahren häufiger zu beklagen: In Tönisvorst starb 2014 ein Rentner an den Folgen einer Misshandlung, nachdem fünf junge Männer bei einem Überfall in seiner Wohnung auf ihn eingeprügelt hatten. 2016 sorgte im niedersächsischen Stade der gewaltsame Tod eines bekannten Investors des Hamburger SV für Schlagzeilen, dem ebenfalls ein Raubüberfall zum Verhängnis wurde. Der Unternehmer erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Skrupellos gingen die Täter auch bei einem zweifachen Raubmord im bayerischen Königsdorf im Februar dieses Jahres zu Werke. Ein 81-jähriger Rentner aus NRW und eine 76 Jahre alte Frau aus Hessen starben laut Obduktionsbericht durch „stumpfe Gewalteinwirkung“ — die beiden waren zu Besuch bei einer 76-jährigen Hausbesitzerin, die bei dem Überfall schwer verletzt wurde. Das bittere Ermittlungsergebnis: Eine Pflegerin wurde als Mittäterin ausgemacht, deren Sohn und Ehemann sollen maßgeblich an der Bluttat beteiligt gewesen sein.

Von einer neuen Dimension der Gewalt will Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) NRW angesichts dieser Fälle zwar nicht sprechen, doch sei die Hemmschwelle der Täter, auf ihren Raubzügen auch Gewalt anzuwenden, tendenziell gesunken. „Senioren geraten als geeignete Opfer leicht ins Visier der Täter, da wird oft sehr massiv vorgegangen.“ Die Schwächsten der Gesellschaft bieten für Kriminelle leichte Angriffsfläche. So ist die Zahl der Raubüberfälle 2016 im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent sprunghaft gestiegen: Wurden 2015 noch 745 Delikte dieser Art gemeldet, hatte die Polizei im vergangenen Jahr landesweit 817 Raubüberfälle zu verzeichnen. Nicht erfasst wird in der Statistik, ob ein Einbruch von den Tätern ursprünglich als Raubüberfall geplant war, oder ob sie sich spontan zu Gewalt entschlossen, weil sie bei der Tat gestört wurden. Auch im Haaner Fall ist diese Frage noch offen.

Anders als etwa bei Einbrüchen sind die Chancen, die Täter bei Raubüberfällen zu ermitteln, vergleichsweise hoch: 2016 lag die Aufklärungsquote in NRW bei fast 72 Prozent. „Jeder Täter hinterlässt Spuren, wenn es durch Gewaltanwendung zu Kontakt zwischen ihm und seinem Opfer gekommen ist. Seien es Fingerabdrücke oder DNA-Spuren“, erläutert Scheulen.

Für Opfer von Raubüberfällen dürfte dies wohl ein schwacher Trost sein, zumal die psychischen Folgen nach einem Gewaltverbrechen mithin Jahre andauern können, weiß Karl-Günther Theobald, Diplompsychologe bei der Opferschutz-Organisation Weißer Ring: „Bei Raubüberfällen entwickeln etwa 20 bis 30 Prozent der Betroffenen eine posttraumatische Belastungsstörung. Grundsätzlich kommt es immer auf die Persönlichkeit des Einzelnen und auf die Begleitumstände an, wie ein Mensch mit solch einem Erlebnis umgeht. Manche benötigen nur wenige Therapiestunden und andere verwinden es gar nicht“, berichtet Theobald und erklärt den psychologischen Mechanismus, der in solchen Fällen bei den Opfern abläuft: „Wir bauen uns unseren Alltag auf der Illusion auf, dass uns schon nichts passieren wird und die eigene Wohnung uns einen besonderen Schutzraum bietet. Dieses Weltverständnis gerät bei einer Gewalterfahrung wie einem Überfall grundlegend aus den Fugen.“

Die ersten Schritte zurück in die Normalität sind oft nur mit Hilfe einer Therapie und mit Unterstützung von Freunden und Familie möglich. Für ältere Menschen liegen darin oft zusätzliche Erschwernisse, wenn etwa der Partner verstorben ist und auch der Job keine Ablenkung mehr bietet. „Um so wichtiger ist es für Betroffene, sich frühzeitig Hilfe zu holen“, rät Theobald.

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