Sexual-Delikt Borussia-Fanzug: Verurteilter Vergewaltiger profitiert von zäher Justiz-Bürokratie

Der Mann, der in einem Fußball-Sonderzug eine Frau missbraucht haben soll, war bereits einschlägig verurteilt. Seine Akte pendelt zwischen Behörden hin und her — bis der Mann, der längst hätte einsitzen müssen, mutmaßlich erneut zum Täter wird.

Sexual-Delikt: Borussia-Fanzug: Verurteilter Vergewaltiger profitiert von zäher Justiz-Bürokratie
Foto: dpa

Düsseldorf. Wie kann es sein, dass ein Mann, der längst seine Haftstrafe wegen einer früheren Vergewaltigung hätte antreten müssen, weiter auf freiem Fuß bleibt? Und es dann — so der noch nicht geklärte Verdacht — offenbar zu einer weiteren Vergewaltigung durch den zuvor Verurteilten kommt? Diese Frage hat am Mittwoch den Rechtsausschuss im Landtag beschäftigt.

Der Fall: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Mann, der am 15. April nach einem Spiel von Borussia Mönchengladbach bei Bayern München in einem Fußballfan-Zug eine junge Frau vergewaltigt haben soll. Der Beschuldigte war bereits am 13. April 2016 wegen Vergewaltigung in einem anderen Fall und „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ sowie Körperverletzung zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Ein Strafmaß also, bei dem eine Bewährung nicht mehr möglich ist.

Weil er aber Berufung und dann Revision einlegte, blieb der Mann auf freiem Fuß. Mit seinem letzten Rechtsmittel scheiterte er vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf am 29. November 2017. Also mehr als eineinhalb Jahre nach seiner erstinstanzlichen Verurteilung. Immerhin ab diesem Zeitpunkt, also fast ein halbes Jahr vor dem jetzt bekannt gewordenen Tatvorwurf, hätte er seine Haft antreten müssen. Sollte man meinen. Warum es aber doch anders kam und der Mann auch Mitte April 2018 noch auf freiem Fuß war, versucht ein Bericht des NRW-Justizministeriums zu erklären.

Die Verfahrensakte pendelte zwischen Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, zwischen Staatsanwaltschaft, Landgericht und Amtsgericht Mönchengladbach. Und ging schließlich auch noch zum Landschaftsverband. Dabei ging es um Fragen wie Prozesskosten und mögliche Entschädigungsansprüche. Der eigentliche Zweck — Strafvollstreckung nach rechtskräftigem Strafurteil — scheint da in den Hintergrund getreten zu sein. Auch als der Beschuldigte in einer anderen Sache am 2. April „zum Strafantritt geladen wurde“, sei zunächst gar nicht aufgefallen, dass in dem rechtskräftig abgeurteilten Vergewaltigungsfall die Vollstreckung der Strafe immer noch nicht eingeleitet worden war.

Da musste erst der 15. April kommen. Der Tag, an dem es zu der weiteren Vergewaltigung im Zug gekommen sein soll. Erst danach, am 17. April, übersandte das Amtsgericht Mönchengladbach die Akte mit dem Zusatz „Sofort! Per Sonderwachtmeister!“ an die Staatsanwaltschaft — damit diese diese Strafvollstreckung einleiten möge.

Ein solches Verfahren habe „bei den Bürgern zu erheblichen Nachfragen“ geführt, drückte es Hans-Willi Körfges (SPD) am Mittwoch noch zurückhaltend aus. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) war zwar nicht selbst im Rechtsausschuss anwesend. Aber in dem Bericht aus seinem Haus wird eingestanden, dass das Interesse an der Klärung der Prozesskosten — was in dem Fall zum Vagabundieren der Akte und damit zu der Verzögerung führte — „nicht höher zu gewichten ist als das Interesse an einer zügigen Einleitung der Strafvollstreckung“. In dem Bericht wird versichert, dass Gerichte und Staatsanwaltschaften nunmehr sicherstellen, dass „solche erheblichen Verzögerungen bei der Vollstreckung künftig ausgeschlossen sind“.

Der Frau, die im April offenbar zum Opfer wurde, hilft das freilich nichts. Der Beschuldigte hat sich zu dem Vorgang übrigens noch nicht geäußert. Er sitzt wegen einer anderen Verurteilung im Gefängnis.

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