Blackout in Hannover - 600 000 sitzen im Dunkeln

Hannover (dpa) - Kurz nach halb elf gingen die Lichter aus: Ganz Hannover und mehrere Gemeinden im Umland lagen am Mittwochabend zeitweilig komplett im Dunkeln. Fast 600 000 Menschen waren von dem Stromausfall betroffen.

Die genaue Ursache wurde am Donnerstag noch untersucht.

Nach gut anderthalb Stunden floss der Strom für alle Kunden wieder. In einer Umspannstation am Kraftwerk Mehrum im Kreis Peine östlich der Landeshauptstadt war um 22.34 Uhr ein sogenannter Netzkuppler ausgefallen. Auch in einem zweiten Kraftwerk im hannoverschen Stadtteil Stöcken versagte eine Anlage ihren Dienst.

Kritisch war der Blackout vor allem für Alten- und Pflegeheime. Dort waren Senioren auf Beatmungsgeräte angewiesen, die nur noch mit Akkus liefen. Die Stadt berief einen Krisenstab ein. „Hannover ist glimpflich davongekommen“, sagte Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD). Verletzt wurde niemand.

350 Helfer von Feuerwehr und Rettungsdiensten waren in der Nacht zum Donnerstag im Einsatz. „Im Zusammenhang mit einem Stromausfall haben wir einen Einsatz in dieser Größenordnung noch nicht gehabt“, sagte Feuerwehrsprecher Jan Feichtenschlager.

Hauptauslöser war ein Defekt bei der Einspeisung des Stroms ins regionale Netz rund um Hannover. „Wie es genau zu dem Impuls kam, der den Anlagenteil abschaltete, wissen wir aber noch nicht“, sagte ein Sprecher des Energieversorgers Enercity. „Es kann einige Tage dauern, bis alles ausgewertet ist.“ Expertenteams seien sofort zu dem Kraftwerk Mehrum hinausgefahren.

20 Minuten nach dem Ausfall gab es für knapp zwei Drittel der Kunden wieder Strom, nachdem Ingenieure zwei neue Verbindungen ins Netz hergestellt hatten und die Versorgung stufenweise hochgefahren werden konnte. Um 0.15 Uhr waren nach Angaben des Sprechers alle Kunden wieder versorgt.

„Viele Brandschutzmelder sprangen durch Spannungsimpulse an oder gaben Fehlermeldungen ab. Und einige Leute saßen in Aufzügen fest“, sagte ein Feuerwehrmann. Rettungsteams versorgten kleinere Kliniken und Pflegeheime, die keine eigenen Notstromaggregate besitzen, mit tragbaren Generatoren. Auch am Flughafen der Stadt fiel der Strom kurzfristig aus, Notstromaggregate sprangen an. Alle Starts und Landungen seien aber planmäßig verlaufen, sagte ein Flughafensprecher.

Die Produktion in den Werken von Continental und VW Nutzfahrzeuge war unterbrochen. Bei Volkswagen standen die Roboter und Montagebänder in der Nachtschicht für ungefähr zweieinhalb Stunden still, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Aus Wohnungen in Hannover schimmerte Kerzenschein. Bei der Polizei gingen in der Nacht zahlreiche Anfragen ein. „Wir hatten 1500 Anrufe von besorgten Bürgern, dazu viele Fehlalarme“, sagte eine Sprecherin. Einbrecher nutzten die Dunkelheit, um in vier Geschäfte einzudringen und Zigaretten zu stehlen.

„Der Auslöser ist klar, die Ursache dahinter noch nicht“, erklärte der Enercity-Sprecher. Zum Zusammenbruch der Stromversorgung kam es nach ersten Analysen, weil der Anschluss des Werkes ins Hochspannungsnetz für kurze Zeit gekappt war.

Man habe Reservekapazitäten an anderen Standorten aktiviert, diese hätten den Spannungsabfall aber nicht sofort ausgleichen können: „Wenn der Strom einer kompletten Stadt ausgefallen ist, kann man sie nicht per Knopfdruck anschalten“, erläuterte der Stadtwerke-Sprecher. Ob die betroffenen Kunden mit einer Entschädigung rechnen können, ist noch unklar. „Das muss im Einzelfall mit uns geklärt werden“, sagte Enercity-Sprecher Carlo Kallen.

Der Energieversorger bedauerte die „Großstörung“. Nun müssten zahlreiche Fehlerprotokolle untersucht werden, um dem genauen Ablauf der Panne auf die Spur zu kommen. Ein ähnlicher Zwischenfall habe sich zuletzt vor etwa zehn Jahren ereignet.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz sieht durchaus eine Gefahr. Grundsätzlich sei die Stromversorgung in Deutschland sicher, aber auch die Abhängigkeit vom Strom wachse in jedem Haushalt. Bei dem Sturm Kyrill oder einer Schiffsüberführung über die Ems habe es große Blackouts gegeben. Man sehe das Problem, dass es einmal länger flächendeckend zu einem Ausfall kommen könnte, der sich dann auch auf die Wirtschaft auswirken könnte.

Viele Menschen nahmen den Stromausfall gelassen. Andere spekulierten, ob neun Monate nach dem Blackout viele Babys zur Welt kommen. Beim Kurznachrichtendienst Twitter schrieb eine Nutzerin: „Die Dauer des Stromausfalls dürfte gereicht haben, dass die Hebammen im nächsten April viel Arbeit haben werden.“ Eine Einschätzung, der andere nicht folgten: „Früher hätte es neun Monate nach so einem Stromausfall gaaanz viele Babys gegeben. Heute twittern die Leute lieber, oder?“

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