Beutekunst aus Irak in Viersen

Kunstraub: Sieben Jahre nach der Plünderung des Nationalmuseums in Bagdad ist Beute in Viersen aufgetaucht.

Krefeld/Viersen. Aus solchem Stoff hat der belgische Comic-Autor Hergé Geschichten für „Tim und Struppi“ gestrickt. Kurz vor Feierabend am 1. Juni verständigt die Polizei in Viersen die Kollegen vom Kommissariat zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) in Krefeld. Sie habe einen Tipp erhalten, dass am nächsten Tag ein 15-Millionen-Euro-Deal mit Artefakten aus dem zu Beginn des dritten Irak-Krieges geplünderten irakischen Nationalmuseums über die Bühne gehen soll. Von zwei Irakern aus Viersen war die Rede. Und von zwei Männern mit deutschem Pass aus Krefeld, geboren im Irak und in der Türkei, letzterer vorbestraft wegen Drogendelikten. Doch zur Übergabe anderntags kam es nicht.

Binnen eines Monats gelang es dann den Krefelder OK-Fahndern mit Oliver Knorre an der Spitze, einen Deal über einen verdeckten Ermittler perfekt zu machen. Museumsstücke aus Bagdad im Wert von „nur“ noch 2,5 Millionen Euro sollten in einer Viersener Spielhalle den Besitzer wechseln. Der irakische Besitzer, sein Landsmann aus Viersen und die beiden Krefelder wurden festgenommen, 15 Museumsstücke sichergestellt.

Fünfeinhalb Monate später lag der Ermittlungskommission „Orient“ das Gutachten von Dr. Ralf Bartke, dem stellvertretenden Leiter des Vorderasiatischen Museums in Berlin vor, so dass die Polizei am Mittwoch endlich mit der ungewöhnlichen Geschichte an die Öffentlichkeit gehen konnte. Die vier Festgenommenen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß. Ihnen konnte nicht einmal Hehlerei nachgewiesen werden. „Man braucht Diebstahl oder Raub, um den Hehlerei-Paragraphen anzuwenden. Es gab nicht mal ein Aktenzeichen aus Bagdad“, erklärte Hauptkommissar Knorre.

Am 3. Mai 2003 war die Nachricht um die Welt gegangen, dass das irakische Nationalmuseum die Hälfte seines Bestandes verloren hatte. Ein paar Tage später verkündeten die USA, es seien 40 000 Museumsgegenstände sichergestellt worden. Noch vor dem Einmarsch der Amerikaner hatte die Bush-Regierung die Bestimmungen zur Einfuhr archäologischer Artefakte gelockert.

Gutachter Bartke ist bei der Wertschätzung zu einem verblüffenden Ergebnis gekommen: Weil die aus babylonischer Zeit stammenden Roll- und Stempelsiegel (das älteste ist um 3000 v. Chr. in filigraner Handarbeit aus Speckstein gefertigt) nicht einem bestimmten mesopotamischen König zuzuordnen seien, hätten die 13 authentischen Stücke einen Gesamtwert von nur 6350 Euro. Der babylonische Flop also? Zwei der 15 Stücke sind gefälscht, darunter einer der vier Könige namens Nebukadnezar, bei dem der Fälscher schlichtweg das verdrehte Gehörn auf dem Haupt vergessen hat, das für echte Königsstatuen der Reiche am Euphrat charakteristisch ist. Nach der Pressekonferenz brachte Ermittler Knorre die Beutestücke erst einmal zur Asservatenkammer der Krefelder Staatsanwaltschaft.

In einem bereits 2005 in Köln aufgeflogenen Fall hatte der frühere Außenminister Steinmeier verhökerte Museumsstücke persönlich nach Bagdad zurückgebracht. Wie nun die Artefakte von Krefeld nach Bagdad zurück gelangen, ist noch unklar.

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