„Beten ersetzt kein Training“

Hans-Gerd Schütt aus Krefeld ist als Olympiapfarrer in Peking fast überall dabei: „Wir feiern und trösten.“

Peking. Vielleicht ist Olympia-Pfarrer Hans-Gerd Schütt mit seinen Stoßgebeten gestern gar nicht mehr nachgekommen. Denn die Handballer, die Wasserballer und die Fußballerinnen sind ausgeschieden, die Volleyballer und Beachvolleyballer sind nicht mehr dabei, keine Medaillen für deutsche Reiter und Stabhochspringerinnen.

Selbstverständlich würde Schütt nie verraten, welche Sportler ihn vor ihrem Wettkampf um geistlichen Beistand gebeten haben, nach dem Motto: "Kannst du nicht mal ein Stoßgebet nach oben schicken?"

Dieser Bitte kommt der Sportbeauftragte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der selbst nie ein großer Sportler gewesen ist, gerne nach: "Ich sage ja nicht: Gott, gib ihm eine Goldmedaille, sondern ich wünsche dem Sportler Kraft, Konzentration und einen guten Tag. Und ich sage den Sportlern immer dazu: Beten ersetzt kein gutes Training."

Mit seinem protestantischen Kollegen Thomas Weber aus Gevelsberg bildet Schütt bei den Olympischen Spielen in Peking einen ambulanten ökumenischen Seelsorgedienst.

"Eine klar definierte Aufgabe haben wir nicht", sagt Schütt. Sie werden mit dem deutschen Team in Poloshirts und Anzug eingekleidet, wohnen aber nicht im olympische Dorf. Sie gehören nicht direkt dazu, sind aber fast überall dabei.

Morgens fahren sie als erstes ins Mannschaftsbüro, um zu erfahren, was los ist. Sie plaudern mit Ärzten und "den Physios - das ist ganz wichtig, weil die uns empfehlen: Der Pfarrer ist in Ordnung".

Eine feste Sprechstunde in einem Büro bieten Schütt und Weber nicht an: "Höchstwahrscheinlich würde da keiner kommen." Die Kontakte ergeben sich beiläufig durch Besuche beim Training oder bei den vielen Empfängen im Deutschen Haus. Manche ergreifen die Gelegenheit beim Schopf: "Ach, du bist Pfarrer, da wollte ich doch immer schon mal fragen..."

Bei anderen muss Schütt noch am Grundverständnis arbeiten. In Athen hat ihn mal einer mit einem Fahrer verwechselt. Und selbst der schwer zu erschütternder Rheinländer musste schlucken, als ihn ein Sportler fragte: "Wie Pfarrer? Was machst denn so einer überhaupt?"

Immer wieder gebe es aber auch intensive Gespräche über Freundschaft, Familie, Beruf und Spitzensport und die elementare Frage: Was ist mir wirklich wichtig? Großen Raum nehme auch der Erwartungsdruck ein. In Athen hat ihm mal einer vor dem Wettkampf gesagt: "Ich komme mir vor wie bei einer Hinrichtung."

Kaum angesprochen werde das Thema Doping. "Das sind wir in guter Gesellschaft. Das ist bei den Vertrauensleuten für Doping aber auch so", sagt Schütt. Ihm habe jedenfalls noch nie jemand gebeichtet, dass er dope.

Der Olympiapfarrer ist quasi auf Langstrecken-Mission in China. Nach der Abschlussfeier reist er zur deutschen Gemeinde nach Shanghai, dann kehrt er zu den Paralympics in Peking zurück, die bis Mitte September dauern.

"Die Aufgaben sind genau gleich: Wir trösten und wir feiern mit." Da erinnert sich Schütt gern an Athen: "Da haben wir mit den Hockeydamen so lange die Goldmedaille gefeiert, dass wir danach sofort zu den Wettbewerben der Kanuten gegangen sind."

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