Chemnitz Bericht: Nazis haben jüdisches Restaurant in Chemnitz angegriffen

Während es eine heftige Debatte darüber gibt, ob es in Chemnitz zu "Hetzjagden" gekommen ist, kommen Informationen über eine weitere Attacke an die Öffentlichkeit. Demnach soll ein jüdisches Restaurant angegriffen worden sein.

 Am Abend des 27. August wurde das Restaurant angegriffen.

Am Abend des 27. August wurde das Restaurant angegriffen.

Foto: Hendrik Schmidt

Berlin. Abgesehen von rechtsextremen Demonstrationen und Attacken auf Ausländer hat es in Chemnitz laut einem Zeitungsbericht jüngst auch einen Angriff von Neonazis auf ein jüdisches Restaurant gegeben.

Am Abend des 27. August sei in der sächsischen Stadt das koschere Restaurant "Schalom" von etwa einem Dutzend Neonazis angegriffen worden, berichtete die "Welt am Sonntag". Die vermummten, schwarz gekleideten Täter hätten "Hau ab aus Deutschland, Du Judensau" gerufen.

Die Angreifer bewarfen das Lokal dem Bericht zufolge mit Steinen, Flaschen und einem abgesägten Stahlrohr. Dabei sei Inhaber Uwe Dziuballa durch einen Stein an der Schulter verletzt worden, außerdem seien eine Fensterscheibe und die Fassade beschädigt worden. Das sächsische Landeskriminalamt bestätigte laut "WamS" eine entsprechende Anzeige des Wirts.

Ein Sprecher des sächsischen Innenministeriums teilte demnach mit, dass "derzeit eine politisch motivierte Tat mit einem antisemitischen Hintergrund" als naheliegend erachtet werde, die Ermittlungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen. Dem Bericht zufolge beschäftigen sich mittlerweile auch der sächsische Staatsschutz und das polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum mit dem Fall.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich alarmiert. "Sollten die Berichte zutreffen, haben wir es mit dem Überfall auf das jüdische Restaurant in Chemnitz mit einer neuen Qualität antisemitischer Straftaten zu tun", sagte er der "WamS". "Hier werden die schlimmsten Erinnerungen an die dreißiger Jahre wachgerufen." Klein forderte die sächsische Polizei und Staatsanwaltschaft auf, "nun unverzüglich und umfassend zu ermitteln und mit aller Härte" gegen die Täter vorzugehen. Der Staat müsse mit aller Deutlichkeit zeigen, "dass antisemitische Straftaten unverzüglich geahndet werden", sagte Klein.

Um alle Kräfte im Kampf gegen Antisemitismus zu bündeln, halte er es "für wichtiger denn je, im Freistaat Sachsen das Amt eines Beauftragten für jüdisches Leben und Antisemitismusbekämpfung einzurichten". Gegen die Einrichtung eines solchen Amtes hatte es laut "WamS" bisher innerhalb der Sachsen-CDU Widerstand gegeben.

In Chemnitz war vor zwei Wochen ein 35-Jähriger getötet worden. Zwei aus Syrien und dem Irak stammende Männer wurden wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft genommen. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird gefahndet. Seit der Gewalttat hat es in Chemnitz mehrfach Kundgebungen auch rechter Gruppen gegeben, die teilweise in Ausschreitungen mündeten. Dabei wurden auch Ausländer und Journalisten angegriffen. Die Vorfälle lösten eine bundesweite Debatte über Rechtsextremismus in Sachsen aus.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will sich nach der Anzeige einer antisemitischen Attacke auf ein jüdisches Lokal in Chemnitz mit dem Wirt treffen. Der Regierungschef habe am Freitagabend mit dem Betreiber telefoniert und das Treffen verabredet, sagte der sächsische Regierungssprecher Ralph Schreiber am Samstag in Torgau.

Ein Termin stehe aber noch nicht fest. Zuvor habe der Wirt Uwe Dziuballa einen bewegenden Brief an Kretschmer geschrieben. Darin schilderte er laut Schreiber eine Attacke auf das Lokal am 27. August. An diesem Tag war eine aggressive, von Hooligan-Gruppen dominierte Demonstration durch Chemnitz gezogen. Ein Gruppe Vermummter soll das Lokal mit Flaschen und Steinen angegriffen und dabei antisemitische Parolen gerufen haben.

Dziuballa sagte am Samstag der Deutschen Presseagentur in Chemnitz, das Telefongespräch mit Kretschmer sei gut, vernünftig und sachlich gewesen. Er betreibt das koschere Restaurant „Schalom“ seit dem Jahr 2000 - schon mehrfach sei das Lokal Ziel von Attacken gewesen.

Spezialisten des sächsischen Extremismus-Abwehrzentrums haben in dem Fall inzwischen die Ermittlungen übernommen. Der Wirt des Lokals habe Anzeige erstattet, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Es müsse von einem antisemitischen Hintergrund ausgegangen werden.

Die Ermittlungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen. Der Ministeriumssprecher sagte, derzeit laufe noch die Auswertung der gesicherten Spuren. Er würden auch Gäste des Lokals befragt, zudem werde das Bildmaterial ausgewertet.

Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hatte die Echtheit von Video-Aufnahmen aus Chemnitz bezweifelt und damit eine heftige Debatte über rassistische Übergriffe dort losgetreten. Berichte über „rechtsextremistische Hetzjagden“ in der sächsischen Stadt sehe er mit „Skepsis“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Maaßen widersprach damit auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem Regierungssprecher Steffen Seibert - beide hatten von „Hetzjagden“ in Chemnitz gesprochen. Am Abend versicherte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die Prüfung „möglicher „Hetzjagden“ von Rechtsextremisten gegen Migranten“ dauere an. Aus Sicht der meisten Bundestagsparteien hat sich Maaßen mit seiner unbelegten Einschätzung zu weit aus dem Fenster gelehnt. Auch aus der CDU kam Kritik. Linke und Grüne legten ihm den Rücktritt nahe. afp/dpa

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